Wie immer bei Ankunft in einem Hafen, sei es ein Einfacher, ohne Infrastruktur oder ein Geschützter, mit einer Hafenmeisterei, musste zuerst geprüft werden, wo wir Abfälle loswerden können und ob es Trinkwasserzapfstellen gibt. Das sind, abgesehen von starken Pollern oder Ringen zum Festmachen, die einzigen Bedürfnisse, die wir haben. Bei den luxuriöseren Häfen bezahlt man eine Gebühr, üblicherweise abhängig von der Länge des Schiffes. Diese beinhaltet meistens auch das Benutzen von Toiletten, Duschen, Waschmaschine und Tumbler, das brauchen wir aber alles nicht, Lilly verfügt über all das von Haus aus. Zudem gibt es in diesen Häfen selten Liegeplätze für Boote mit mehr als 15 m Länge. Dafür sind diese Häfen oft mitten in den Stadtzentren, wie hier in Nancy. Der uns zugewiesene Platz war lang genug und wir erhielten einen Schlüssel zu dem schweren Gittertor am Anfang des Schwimmstegs. Nachts war da immer geschlossen und es patrouillierte eine Sicherheitsfirma, bzw. deren Leute.
Nachdem wir uns beim Hafenmeister registriert hatten, brauchten wir erst mal einen Ankertrunk. An diesem Abend verliessen wir das Schiff jedenfalls nur noch für einen kurzen Spaziergang. Wir sind selber immer wieder erstaunt, wie anstrengend gewisse Etappen sein können. Erst am nächsten Tag machten wir uns auf, die Gassen und Plätze der Stadt zu erkunden. Das Wetter war, wie schon seit Langem, heiss und wolkenlos, so mag es nicht erstaunen, dass wir, fast schon automatisch, das Trottoir auf der Schattenseite wählten. Neben den üblichen Shoppingmeilen, den Kirchen und Plätzen, der Altstadt und den historischen Bauwerken wie Türmen und Toren, verfügt Nancy vor allem über ein spezielles Kleinod. Den Place Stanislas. Dieser ist dem Grafen Stanislas Herzog von Lothringen, gewidmet und liegt in Fussdistanz zum Hafen. Mehr Informationen darüber gibts hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Place_Stanislas
Diesem Platz haben wir mehrere Besuche abgestattet, teilweise auch nur um den Bereich am anderen Ende zu erreichen. Täglich nach dem Eindunkeln findet auf diesem Platz eine Laser Lightshow statt, die immer massenhaft Touristen anzieht. Auch wir liessen uns das Spektakel nicht entgehen und besuchten es wie schon 2013 (siehe Alte Ferienberichte 2013). Damals hatte es uns fast ein wenig besser gefallen, trotzdem ist es wirklich sehenswert.
Ein gutes Restaurant mit einer tollen Crew fanden wir dann auch noch, nicht auf dem Platz, auf dem die ganzen Touristenfallen sind, sondern in einer der angrenzenden Altstadtgassen. Wir fühlten uns sehr wohl und willkommen und geschmeckt hat es hervorragend.
Sechs Tage blieben wir in Nancy und vertrieben uns die Zeit wie auf einem Städtetrip. In dieser Zeit erreichte uns eine Nachricht, die unsere Anwesenheit in der Heimat erforderlich machte. Da der Termin erst in der Folgewoche gesetzt war, entschlossen wir uns noch etwas weiterzufahren. Unser ursprünglicher Plan war, via Canal du Marne au Rhin, Branche Ouest, Canal Entre Champagne et Bourgogne, ein Stück die Sâone runter und in den Canal du Rhone au Rhin einzubiegen, um so nach Kembs, unserem Winterhafen für dieses Jahr zu kommen. Dieser schöne Plan wurde Stück für Stück zur Makulatur, als immer mehr Nachrichten kamen, dass dieser und jener Abschnitt auf dieser Route, wegen Wassermangels, gesperrt wurde. Wir hatten aber bereits in Dijon unsere Fühler für einen Winterhafen in der Nähe der Heimat ausgestreckt, da die Harley in diesem Herbst vorgeführt (Schweizer Variante der TÜV-Prüfung) werden müsste. Das Ziel stand also fest, nur der Weg dorthin brauchte eine Revision. Nancy liegt am Canal du Marne au Rhin und dieser führt nach Strassburg am Rhein. Kembs wiederum, wo wir Lilly über den Winter liegen lassen wollten, liegt auch am Rhein. Das war dann unser Plan B. Es war aber jetzt erst Anfang Juli und die Reservation vom Winterhafen war auf Mitte-Ende Oktober vorgesehen. Wir würden viel zu früh dort sein. Was waren nun unsere Möglichkeiten, uns die Zeit zu vertreiben? Nicht viele. Übrig blieb, die Mosel zu Tal bis Kons, wo die Saar in die Mosel mündet und dann dieser zu Berg bis Saarbrücken, wo der Saarkanal beginnt. Diesen dann weiter zu Berg, bis wir auf den Canal du Marne au Rhin stossen würden, derselbe Kanal an dem unser Ausgangsort Nancy liegt. Wir würden aber dann über Backbord in Richtung Strassburg abbiegen, um am Ende nach Kembs zu kommen.
Ob das so funktionieren würde, wussten wir zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht. Was wir aber wussten, war, dass wir Gäste haben würden, und zwar kurz nach der geplanten Rückkehr zur Lilly. Jetzt hiess es Organisieren. Wir brauchten als Erstes einen Hafen, wo wir Lilly würden liegen lassen können und er sollte via öffentliche Verkehrsmittel für unsere Gäste erreichbar sein. Unsere Wahl fiel auf Metz. Diese Stadt liegt an der Mosel, ca. zwei bis drei gemütliche Tagesetappen von Nancy entfernt.
Es kam der Morgen an dem wir, nach dem ersten Kaffee, die Leinen loswarfen und rückwärts ins Fahrwasser des Canal de Marne au Rhin manövrierten. Es freute uns zu sehen, wie der Hafenmeister uns zum Abschied zuwinkte. Um auf die Mosel, die eine Grossschifffahrtswasserstrasse ist, zu kommen, mussten wir zuerst für zehn Kilometer auf dem Kanal weiterfahren. Eine scharfe Kurve über Steuerbord musste entsprechend langsam gefahren werden, bevor wir direkt in die letzte Schleuse des Kanals einfuhren. Hier mussten wir die kleine Fernbedienung abgeben, die uns seit Corre alle Schleusen brav geöffnet hatte, danach ging es sieben Meter hinunter.
Kaum aus der Schleuse ausgefahren, führte unser Weg scharf über Backbord in die «kleine Schleuse», die mit 40 m Länge und 6 m Breite etwas grösser war als eine Freycinet Standardschleuse, aber neben ihrer Schwester, der Schleuse für die Grossschifffahrt, gleich daneben, war sie winzig. Kurze Zeit später befanden wir uns auf der Mosel, auf der wir weiter zu Tal fuhren. Um unser heutiges Etappenziel, Millary, zu erreichen, mussten wir noch eine Schleuse bewältigen. Wie es offiziell gemacht werden muss, meldete ich mich über Funk mit einem Spruch, den ich zuvor aufgeschrieben hatte, um ja nichts falsch zu machen und etwa nicht die funktechnisch inkorrekte Ansage durchzugeben. Was dann aber aus meinem Lautsprecher zurück tönte, hatte nur wenig mit dem zu tun, was ich im Funkerkurs gelernt hatte. Ah, und verstanden habe ich eigentlich auch nichts. Klar war aber, dass der grosse Frachter vor uns zuerst einfahren würde und wir dann dahinter noch massenhaft Platz finden würden. Ausser dem grossen Frachtschiff befanden sich, mit uns, noch drei Kleine in der Schleuse. Beim Runterfahren mussten wir unsere Leinen immer wieder um einen tieferen Poller legen, der aus dem auslaufenden Wasser auftauchte. Der Kapitän des Frachters war einer der Anständigen, er fuhr mit kleiner Fahrt auf die Mosel hinaus, ohne uns mit dem Schwell seiner Schraube durchzuschaukeln. Es soll auch Andere geben, liessen wir uns sagen. Um es gleich vorwegzunehmen, es war auf der ganzen Reise das einzige Mal, wo wir mit einem grösseren Schiff schleusen mussten. Entweder gab es eine kleinere Schleuse, oder wir waren ganz alleine oder mit einem anderen Kleinboot in einer Grossschleuse.
Bei Moselkilometer 339.5 bogen wir über Steuerbord in den unkanalisierten Lauf der Mosel ein und etwa einen Kilometer zu Berg, um bis nach Millery zu einem kleinen, aber ziemlich neuen Schwimmsteg zu gelangen, von dem wir wussten, dass er dort sein sollte. Siehe da, er war komplett frei. Wir machten fest und waren keine zehn Minuten später in den Badehosen und am Schwimmen. Die Erfrischung tat gut, sie musste aber für den ganzen heissen Sommer reichen, denn wie wir später erfuhren, breiteten sich in der Mosel und auch in der Saar die Blaualgen aus. Darin sollte man nicht baden, ziemlich ungesund.
Trotz des netten Ortes, der ansonsten nichts Spezielles bot, fuhren wir anderntags weiter die Mosel zu Tal. Für eine kleine Mittagspause stoppten wir am Quai eines grösseren Industriebetriebs und fuhren anschliessend weiter. Zuvor suchten wir einen Liegeplatz in Pont á Mousson, hatten aber Pech, alle Plätze waren schon belegt. Da es uns am Quai des Industriebetriebs nicht so gefiel, fuhren wir noch ein Stück weiter, bewältigen eine weitere Grossschifffahrtsschleuse und fanden einen hohen Quai in der Natur, direkt an der Wasserstrasse, wo wir sporadisch, von einem vorbeifahrenden Frachtschiff, etwas geschaukelt wurden. Diese grossen Frachtschiffe, sowie die grossen Hotelschiffe, fahren immer, das heisst auch durch die Nacht, dann eben mit Radar. Davon abgesehen fühlten wir uns hier sicher, da wir uns nicht vom Schiff wegbewegen konnten, es gab nur dichtes dorniges Gestrüpp rundherum. Richtig schön ist anders, trotzdem mögen wir solche Plätze, die man nur vom Wasser her erreichen kann und ausser für uns, kein weiterer Platz mehr vorhanden ist. Jedoch für maximal eine Nacht, man kann sich nur auf dem Schiff aufhalten. Nicht einmal ein kurzer Spaziergang wäre möglich gewesen.
Gegen 15:15 Uhr am 15. August legten wir im Sportboothafen von Metz an, wo wir uns telefonisch angemeldet und einen Platz reserviert hatten. Die Hafenmeisterin wies uns einen Platz zu, der eher für eine Yacht mit stumpfem Heck gepasst hätte. Viele Yachten besitzen ein gerades Heck, über das bequem ein- und ausgestiegen werden kann. Unsere Lilly hat ein rundes Heck mit Geländer und darüber hinaus hängt dort auch noch die Plattform für die Harley. So erklärte ich der Dame, dass mit dem Heck anlegen keine Option sei und fragte, ob ich nicht mit der Breitseite an den Steg liegen dürfe. Das geht auf keinen Fall, die Plätze sind bereits reserviert, war ihre Antwort. Zu diesem Zeitpunkt kam ein ausgesprochen netter und hilfsbereiter Skipper vom nächsten Boot zu ihr und nahm uns nicht nur die Leinen ab, sondern er schlug mir vor, die Lilly am Ende des Stegs vorbei bis knapp ans Ufer zu legen und an besagtem Stegende sowie an der Dückdalbe, die im Wasser steht, festzumachen. So machten wir es und seinen Tipp, eine Spring vom Bug zurück zur Dalbe zu legen, beherzigten wir ebenfalls. Schlussendlich lag unser Schiff gut vertäut und sicher am Ende des Gaststeigers. Schliesslich mussten wir sie hier für einige Tage ganz alleine liegenlassen. Lediglich das Ein- und Aussteigen gestaltete sich als kleine Kletterpartie, mussten wir doch im Bug über das Schanzkleid und dann mit einem Fuss auf der Scheuerleiste einen grossen Schritt bis auf den Schwimmsteg hinunter machen. So bleibt man fit.
Mit dem hilfsbereiten Skipper kamen wir umgehend ins Gespräch, er erzählte, dass er ein ehemaliger Marineoffizier der Deutschen Marine war und auch einmal für zwei Jahre auf der Gorch Fock gedient habe. Also einer, dem man in Sachen See- oder auch Binnenschifffahrt kein X für ein U vormachen kann. Neben vielen Tipps und Tricks, die er uns gab, versprach er, während unserer Abwesenheit ein wachsames Auge auf unsere Lilly zu haben. Ja, sogar unserem «Kräutergarten» wollte er täglich etwas Wasser geben. Solche Hilfsbereitschaft ist etwas Grossartiges, aber unter Schifferleuten eigentlich normal, nur leider wissen das nicht mehr so viele. Wir konnten also Lilly beruhigt für ein paar Tage alleine in Willis Obhut liegenlassen. Zuerst aber, hatten wir noch ein paar Tage Zeit um Metz ordentlich zu besichtigen, hier und dort etwas zu trinken, Vorräte aufzustocken und essen zu gehen. Der Tag der Abreise kam und wir fuhren mit dem Zug in die Schweiz. Den Aufenthalt nutzten wir auch für Besorgungen, um Freunde und Verwandte zu treffen und mit diesen essen zu gehen. Nur vier Tage später sassen wir schon wieder im Zug nach Metz. Dabei hatten wir auch ein neues Buch für die Navigation. Es fehlte uns nämlich der Teil unserer Reise, der nicht in Frankreich liegt. Wir werden auf der Mosel und der Saar, zuerst durch luxemburgisches und dann deutsches Hoheitsgebiet fahren. Diese schriftlichen Navigationshilfen sind voller wichtiger Informationen, zum Beispiel über die Liegeplätze, Schleusen, mit Funkkanal / Telefonnummer. Fahrrinne und auch Sehenswürdigkeiten am Weg.
Zurück auf der Lilly stellten wir fest, dass unser Schiffsnachbar Willi einwandfrei zu ihr geschaut hatte, alles war in bester Ordnung und auch den Kräutern ging es gut.
An sich wären wir bereit gewesen unsere Fahrt fortzusetzen, wir entschieden uns jedoch noch etwas länger hierzubleiben. Erwarteten wir doch wieder Besuch. Diesmal nicht nur Tochter Myriam, sie würde jetzt auch ihren Lebenspartner Markus mitbringen, worüber wir uns besonders freuten.
Drei Tage später holten wir die beiden vom Bahnhof ab und führten sie in den Hafen. Nach einer kurzen Stadtbesichtigung mit Apéro auf dem Domplatz, sassen wir auf Lillys Achterdeck, liessen den Abend, mit einem feinen Nachtessen und angeregten Gesprächen, ausklingen.
Gleich am nächsten Morgen verliessen wir den Hafen, nicht ohne uns von Willi und seiner Gattin Dorothee zu verabschieden, wohl wissend, dass wir sie auf der Mosel da und dort wieder antreffen würden.
Der weitere Verlauf unserer Reise mit unseren Gästen wird im nächsten Bericht zu lesen sein.