In Fontenoy le Château warteten wir zwei Tage auf die Ankunft von Tochter Myriam. Sie kam mit dem Zug und der Skipper wurde zum Rocker, bestieg seine Harley und donnerte flugs die sechs Kilometer zum Bahnhof von Bains les Bains, wo der Treffpunkt sein sollte. Bevor ich den Bahnhof ansteuerte, bretterte ich zum ca. 20 Minuten entfernten Naturhafen bei Uzemain, um einen Augenschein zu nehmen. Planten wir doch dort die Harley abzuladen, um unseren Gast wieder zum nächsten Bahnhof zu bringen. Der Augenschein stimmte zuversichtlich, dass es hier schon klappen würde.
Zurück in Bains les Bains Bahnhof kam ich knapp aber rechtzeitig an.
Pünktlich fuhr der dieselgetriebene Triebwagen im Bahnhof ein und unser Gast stieg aus. Sie erhielt die Töffklamotten ihrer Mutter. Sicherheit geht bekanntlich vor. Ihren Rucksack banden wir auf dem Gepäckträger fest und schon ging es los zurück zum Schiff. Eine kurze, aber gleichwohl angenehme Fahrt durch Wald und Feld den Hügel hinunter zum Hafen. Keine zehn Minuten nach Ankunft schüttete es wie aus Kübeln. Es gelang mir noch das Motorrad unter seiner Schutzabdeckung zu verstecken, bevor die Wolken ihre Schleusen öffneten.
Die Wiedersehensfreude war gross und die Begrüssung entsprechend herzlich.
Etwas später machten die zwei Damen einen Spaziergang durchs Dorf und entdeckten dabei eine Bäckerei, wo sie sich anderntags kurz vor Abfahrt mit frischem Brot versorgten. Wie in den kleineren Orten in Frankreich leider schon normal, war kein anderer Laden zu finden. Man sieht da und dort, wo sie einmal waren. Staubige Schaufenster mit einem leeren Raum dahinter und einem Plakat darauf, zu verkaufen. Manche mit Bretterverschlag.
Wir blieben einen Tag länger, weil für den für die Abfahrt vorgesehenen Tag Gewitter und Sturm angesagt waren. Es wurde dann nicht so schlimm wie erwartet, trotzdem fuhren wir erst am nächsten Tag weiter. Der Steg bei Bains les Bains war frei und so legten wir dort für eine Mittagspause an. Um etwas später zum vorgesehenen Übernachtungsplatz zu fahren. Dort lag schon die Constanta. Was für ein angenehmer Zufall. Hatten uns doch Schiffer, die wir vom vorderen Jahr kannten und in Fontenoy le Château wieder antrafen, erzählt, dass die Constanta mit Mende und Maria auf dem Weg in unserer Richtung wären. Wir würden sie sicher kreuzen und dann könnten wir sie sicher ein paar Dinge fragen. Und jetzt lagen wir Bug an Bug. Wir luden sie dann noch zu Kaffee und Kuchen ein und konnten so ein hochinteressantes Gespräch führen. Besagten Kuchen buk Christine sich selbst zum Geburtstag. Anderntags fuhren wir auch schon wieder weiter, nicht ohne registriert zu haben, dass die Constanta bereits weg war als wir den Kopf zum Steuerhaus hinaushielten. Wir zählen wohl nicht gerade zu den Frühaufstehern. Auf alle Fälle erreichten wir den Quai von Uzemain zeitig, was es uns ermöglichte nach der mittäglichen Nahrungsaufnahme einen Spaziergang zu tätigen. Auch reichte die Zeit, um das Motorrad abzuladen und auf dem Parkplatz an der Strasse abzustellen, damit es am Folgetag bereitstehen würde, um unseren Gast zum Bahnhof Xertigny zu kutschieren. Und so geschah es dann auch. Nach Abfahrt des Zuges fuhr ich wieder zur Lilly zurück, nicht ohne einen Zwischenstopp an einer Tankstelle eingelegt zu haben. Wieder beim Schiff ergab es sich, dass Christine zu einem Einkaufscenter chauffiert werden wollte, um Nahrungsmittelreserven aufstocken zu können. So wurde dieselbe Strasse zum wiederholten Mal von der Harley durchmessen. Zurück auf der Lilly war ich froh, wieder unversehrt dort angekommen zu sein. Das Aufladen der Maschine funktionierte tadellos und so waren wir bereit für den nächsten Abschnitt auf unserer Reise, ab hier wieder nur wir zwei.
Dieser Halt Nautique liegt gleich unterhalb der Schleuse Nr.18. Ab hier, so wussten wir aus den Bulletins, die wir als Newsletter abonniert hatten, dass der Wasserspiegel um ca. 20 cm abgesenkt worden war. Dies, um der Wasserknappheit vorzubeugen. Das war nicht so schlimm und für Lilly kein Problem und kam auch nicht überraschend. Der Winter war schon zu trocken gewesen und bereits jetzt waren viele der Speicherseen, die speziell für die Kanäle angelegt wurden, fast leer. Zudem war weit und breit kein Regen in Sicht. Wir waren dementsprechend nicht direkt Tiefen-entspannt. Konkret hofften wir einfach den Canal des Vosges komplett durchmessen zu können bevor die Navigation wegen Wassermangels, eingestellt würde. Im Moment schleusten wir noch zu Berg. Das bedeutet, in die leere Schleusenkammern einfahren, drei Meter angehoben zu werden und weiter zur Nächsten, bis die Scheitelhaltung erreicht wäre. Diese, das wussten wir ebenfalls, verfügte bereits über einen noch tieferen Wasserstand.
Auf dem Weg übernachteten wir an einem hübschen Liegeplatz mit Quai und Pollern und massiven Tischen mit Bänken, zwischen den Schleusen Neun und Acht. Zuerst waren wir alleine, dann kamen noch zwei Yachten aus der Gegenrichtung.
Auf einem kleinen Spaziergang fanden wir ein paar herumliegende Aststücke, welche wir mitnahmen und bei der Lilly mit der elektrischen Säbelsäge zerteilten, um sie später als Brennmaterial verwenden zu können. Infrastruktur, wie Wasser oder Strom, bot der Platz zwar nicht, dafür war er idyllisch, schattig, fast schon romantisch. Anderntags fuhren wir auf der Scheitelhaltung bis Les Forges, um an einem kleinen Steg zu übernachten. Vorher, bei der Schleuse Nr. 1 in Girancourt stoppten wir kurz, um Einkäufe zu tätigen. An dem kleinen Steg packten wir den Grill aus und brutzelten uns unser Nachtessen. Am nächsten Morgen passierte eine kleine Segelyacht unseren Steg in ganz langsamer Fahrt, was mich veranlasste den Käptn zu fragen, wie viel Tiefgang sie hätten. Seine Antwort 1,5 m rang mir Respekt ab, war es doch zu vermuten, dass er da und dort eine Grundberührung hatte.
Den Folgetag verbrachten wir, zusammen mit einer Yacht in der Schleusentreppe von Colbey. Das sind vierzehn Schleusen hintereinander. Man muss sich mit der Fernbedienung, die wir seit Corre dabei hatten, nur bei der Ersten anmelden. Danach ist die nächste jeweils schon bereit und die Tore offen. Auf diese Weise schafft man das Ganze in ca. drei Stunden. Ein wenig stressig war nur die Tatsache, dass die Yacht schneller und wendiger war als wir. Teilweise mussten zwischen den Schleusen enge Kurven gefahren werden. Ein, zwei mal waren wir wohl etwas zu schnell, sodass die Reibhölzer einen Kontakt mit einer Schleusenmauer abfedern mussten.
Am Ende der Schleusentreppe konnten wir überraschenderweise über Steuerbord, in den Stichkanal nach Epinal einbiegen. Wenige Tage zuvor war dieser noch wegen Wassermangels gesperrt. Die paar Gewitter und Regengüsse, die wir ein paar Tage vorher über uns ergehen lassen mussten, hatten wohl genügend dazu beigetragen, dass wir nach Epinal fahren konnten. Wir fanden für Lilly einen kuscheligen Liegeplatz am hinteren Ende eines langen Quais. In der Liegegebühr enthalten war auch Wasser und Strom. Dass wir Wasser bunkern konnten, war erfreulich, Strom brauchen wir, seit wir die Solarzellen Paneele haben nicht und die Batterien sind immer voll. Ebenfalls sehr erfreulich. Epinal selbst hat eine ansprechende Altstadt mit Fussgängerzone, Gaststätten und Läden, sowie Sakralbauten. Wir besuchten sie mit unseren E-Klapprädern mehrmals. Die Räder waren auch eine Freude als wir den Decathlon (Sportartikel Markt) aufsuchten. Es ging nämlich ziemlich steil den Berg hinauf. Wir brauchten ein paar Sachen, fanden ein paar davon, einiges nicht, dafür, einmal mehr, Sachen, von denen wir erst im Laden erfuhren, dass wir sie unbedingt mitnehmen mussten.
Alles in allem war der Abstecher nach Epinal eine positive Erfahrung.
Nach nur drei Tagen bekamen alle Schiffseigner am Quai Besuch eines VNF Mitarbeiters. Er teilte uns freundlich mit, dass wir spätestens morgen früh zu verschwinden hätten. Die junge Mosel, die den Hafen mit Wasser versorgt, hatte schon wieder zu wenig desselben, darum musste der Hafen erneut geschlossen werden.
Da kann man nichts machen. Also warfen wir am anderen Morgen die Leinen los und dampften die dreieinhalb Kilometer zurück zum Canal des Vosges. Hier bogen wir über Steuerbord ab und gleich in die erste Schleusenkammer und dann bis Nomexy. Unterwegs mussten wir vor einer Schleuse auf die Ausfahrt eines entgegenkommenden Katamarans warten. Um dieser breiten Yacht Platz zu lassen, zwang ich Lilly nahe ans Ufer, was bei dem tiefen Wasserstand und dem Schwell, den er verursachte dazu führte, dass wir tatsächlich auf Grund liefen. Unerfreulich, aber auch nicht allzu schlimm, waren wir doch schon mehrmals in dieser Situation und so meisterten wir auch diese. In Nomexy fanden wir einen gemütlichen Liegeplatz mit Pollern, schattenspendenden Bäumen und Rasen. Hier trafen wir auch wieder auf das Paar aus dem Elsass mit Ihrer kleinen Yacht. Wir hatten sie in Epinal kennengelernt. Ein Spaziergang durchs Dorf zeigte uns, dass hier nichts Spezielles einen längeren Aufenthalt rechtfertigen würde.
Die Dorfjugend hielt sich sogar hier am Kanal auf. Die Jungs sprangen beherzt ins Wasser, was den Girls wohl nicht so viel Eindruck machte. Nun kam eine Steigerung in die Sache, kam doch einer der jungen Männer zu uns ans Schiff und fragte artig auf Englisch, ob sie vom Bug der Lilly ins Wasser springen dürften. Man kann ja nicht so sein, also wurde mit noch grösserem Platsch ins Wasser gehüpft. Als es mir schien, dass das Ende des Spasses erreicht sei, reichte ich einem von ihnen unseren Wischmopp, welchen sie dankend annahmen und tatsächlich innerhalb einer halben Stunde alle Spuren ihres Tuns verwischten. Am Ende musste ich sie sogar noch bremsen, sonst hätten sie wohl noch das ganze Schiff innen und aussen geputzt.
Da hier sonst nichts los war, legten wir anderntags bereits wieder ab und fuhren bis Charmes. Die erste Schleuse nach Nomexy bot eine Besonderheit. Unmittelbar vor den Schleusentoren führte der Kanal über eine sogenannte Kanalbrücke, das heisst man fährt mit dem Schiff über eine Brücke, die eine wassergefüllte Wanne trägt. In Charmes fanden wir einen angenehmen Liegeplatz am Quai direkt vor dem Wohnmobil-Stellplatz.
Wir waren wieder einmal froh über E-Klappräder zu verfügen, lag doch der Lidl in Charmes hoch über dem Hafen auf einem Hügel. So liess es sich mit Rucksäcken voll der für die nächste Zeit notwendigen Sachen bequem zum Schiff zurückfahren. Hier konnten wir auch wieder Trinkwasser bunkern.
Am nächsten Morgen bemerkten wir nach dem Ablegen, dass eine Segelyacht, die auch hier genächtigt hatte, ebenfalls ablegte und uns folgte. Wir machten uns schon bereit, mit ihnen zusammen in die nächste Schleuse einzufahren, sie stoppten aber in einigem Abstand. Nun, wer nicht will…, uns war es Recht, auch wenn die Wasserknappheit eigentlich ein Gruppieren der Schiffe verlangt hätte. So mussten die Schleusen zweimal gefüllt und geleert werden. An einem kleinen aber netten Anleger machten wir für die nächste Nacht fest und wunderten uns auch nicht besonders, als sie etwas später ebenfalls hinter uns hier festmachten.
Als wir am nächsten Morgen die Nase aus dem Steuerhaus hielten, waren sie schon weg, ich sah sie noch kurz, als sie um die nächste Biegung verschwanden.
Unser Ziel für diesen Tag war Richardménil. Dieser Halte Nautique liegt ganz in der Nähe der Abzweigung nach Nancy. Bei anhaltend hohen Temperaturen marschierten wir zum lokalen Ableger von Carefour, um anschliessend mit vollen Taschen zurück zur Lilly zu marschieren.
Die Weiterfahrt am nächsten Morgen brachte uns zu der Abzweigung auf den Canal de jonction de Nancy. Wir hätten auch geradeaus weiterfahren können, hätten uns dann allerdings auf der Mosel, einer Grossschiffsartstrasse befunden und es wäre zudem ein weiterer Weg gewesen. Dafür nahmen wir in Kauf, dass der von uns gewählte Weg praktisch nur aus zwei Schleusentreppen und einer Scheitelhaltung dazwischen besteht. Zuerst fünf Schleusen zu Berg, dann ein längerer, landschaftlich beschaulicher Abschnitt, auch Bief genannt, bis zur anderen Schleusentreppe, die über dreizehn Stufen zu Tal führt, wo er auf den Canal de la Marne au Rhin stösst. Wir hatten in Nancy einen zwanzig Meter langen Liegeplatz reserviert und wollten, da die Reservation erst für den morgigen Tag gebucht war, auf der Scheitelhaltung übernachten. Den erwarteten Quai mit Pollern, gerade gross genug für die Lilly, fanden wir frei vor und legten an. Es wäre ein hübscher Platz in der Natur gewesen, wäre da nicht eine Autobahnbrücke in Sichtweite, mit dem entsprechenden Lärm in Hörweite, gewesen. So nahmen wir nur eine kleine Mahlzeit zu uns und fragten den Hafenmeister von Nancy telefonisch an, ob der Platz eventuell schon heute frei wäre. Er war, also warfen wir die Leinen los und rüsteten uns für weitere dreizehn Schleusen am Stück. Dies glückte uns beinahe ohne Probleme. Nur eine Schleuse war nicht bereit und verweigerte den Dienst als wir unsere Fernbedienung benutzten. Diese soll man drücken, wenn man auf der Höhe des entsprechenden Empfangsmastes an Land ist. Dieser sollte dann ein gelbes Blinklicht erstrahlen lassen, um damit anzuzeigen, dass das Signal empfangen wurde. Da wir das nicht zu sehen bekamen (wohl weil die Birne kaputt war) drückten wir vielleicht einmal zu viel. In solchen Fällen ist die Elektronik dann beleidigt und schaltet die Ampel auf Doppel-rot. Das heisst so viel wie Störung! Zu unserem Glück kam ein VNF-Mitarbeiter, kurz nachdem wir am Personenschifffahrtssteg angelegt hatten, vorbei und sagte, dass er die Schleuse für uns manuell bedienen würde, wir sollten schon mal ablegen.
Endlich konnten wir auf den Canal de la Marne au Rhin, über Backbord, einbiegen. Nun trennten uns nur noch ca. drei Kilometer Fahrt quer durch Nancy, plus eine Schleuse, von unserem Liegeplatz im Port de Plaisance von Nancy. Das schafften wir gerade noch so, zehn Minuten vor Feierabend des Hafenmeisters. Er wies uns den Platz zu, den er zuvor mit rot-weissem Plastikband abgesperrt hatte und nahm uns die Leinen ab. Ein sehr freundlicher Empfang durch einen netten Alt-Hippie mit langen grauen Haaren.
Endlich angekommen, hatten wir genug fürs Erste und freuten uns auf ein paar beschauliche Tage in dieser schönen Stadt.
Wie es uns hier erging und gefiel, sowie wie es anschliessend weiterging auf der Mosel, der Saar und dem Saarkanal wird Gegenstand der nächsten Berichte sein.