Aufenthalt in Dijon
Wie wir in den Hafen von Dijon einfuhren, registrierten wir mit Freude, dass der Platz, an dem wir einige Tage zuvor bereits lagen, noch immer frei war.
Selbstverständlich legten wir Lilly wieder hier an die Festmacherleinen.
Es war beschlossene Sache, hier für einige Zeit liegenzubleiben, machte es doch wenig Sinn, sofort nach Saint Jean de Losne weiterzufahren, der Werft fehlten noch ein paar bestellte Sachen. Zudem kann Katrin, die begnadete Blachenschneiderin, erst ab dem 19. Mai bei uns weitermachen.
Einen Tag nach unserer Ankunft fuhren wir mit der Tram ins Zentrum um einfach zu Bummeln, zu Schauen und vor der Rückfahrt gemütlich einen Apéro zu trinken.
Diese Stadt ist definitiv einen Besuch von mehr als nur ein- zwei Tagen wert. Auf dem Rückweg zur Lilly fiel uns direkt bei unserer Haltestelle «1. Mai» ein Velogeschäft auf. Suchten wir doch schon seit längerer Zeit E-Klappräder, um, je nach Situation und Bedarf, etwas mobiler zu sein. Klappräder, weil auf der Plattform neben der Harley nur wenig Platz ist und elektrisch unterstützte, weil es Spass macht und die erreichbare Distanz erhöht. Bequem ist es zudem.
Wie wir so vor diesem Laden standen und die Auslage ins Visier nahmen, bemerkten wir, dass da auch Modelle, die unseren Wünschen entsprachen, ausgestellt waren. Kurzentschlossen betraten wir das Geschäft und schauten uns besagte Modelle an. Ein freundlicher Herr nahm sich unser an und es entstand ein lustiges Verkaufsgespräch. Trotz Sprachschwierigkeiten, unterstützt durch eine nette Kundin, welche mit ihren Englischkenntnissen vermittelte, bekamen wir die nötigen Informationen und durften nach kurzer Zeit eines der Räder für eine Probefahrt mitnehmen. Beide nutzten wir die Gelegenheit und waren begeistert. Entfuhr meiner Gattin doch ein überraschtes «Uuhhp...» als der E-Motor, nach ein paar Pedalumdrehungen, einsetzte.
Sie verfügen über eine 7-Gänge Nabenschaltung, 6 stufige Unterstützung und lassen sich sehr klein zusammenklappen. Rasch wurden wir uns Handelseinig, der Händler kam uns sogar noch etwas entgegen. Bereits am nächsten Abend konnten wir sie abholen. Wir genossen ein bemerkenswertes Vertrauen, er wollte nicht einmal eine Anzahlung.
Der Aufenthalt in Dijon sollte auch noch dazu dienen, ein paar Besorgungen zu machen. Zwar Besorgungen diverser Art, also sowohl eine Starterbatterie als auch Haushaltsartikel, aber der Harley-Laden liegt gleich neben dem grossen blaugelben Möbelgeschäft. Bis wir dort waren, hatten wir dennoch eine Menge Weg zurückzulegen. Mit Tram, Fussmarsch und Bus brauchten wir über eine Stunde. Für einen Weg, wohlverstanden, dafür gab es zum Mittagessen diese berühmten Fleischkügelchen.
Davor wollte der Harley Laden besucht werden. Ich brauchte eine neue Batterie für mein Motorrad und ich wollte mal einen Blick auf die Auswahl an Jacken werfen. Fuhr ich doch meine Harley nun seit über zwanzig Jahren mit derselben Jacke, die ich davor schon mindestens zehn Jahre auf der Yamaha trug. Die Griffe an den Reissverschlüssen brachen einer nach dem anderen. Dies ist der richtige Zeitpunkt, um mir endlich eine richtige original Harley Jacke zu leisten. Und ich muss sagen, ich freue mich, sie zu tragen, ist auch hier die Technik nicht stehen geblieben.
Anderntags besuchten wir mit unseren neuen kleinen e-Flitzern einen richtig grossen Baumarkt, wo wir uns mit neuen Kohlenmonoxidgas- und Rauchmeldern versorgten. Plastikkistchen um Nahrungsmittel-Vorräte, sauber und hygienisch in unseren neuen Stauräumen unter dem Fussboden zu versorgen und einige andere Kleinigkeiten fanden wir dort.
Auf dem langen Rückweg zur Lilly lachte uns von Weitem ein Steakhouse entgegen. Das passte perfekt zu unseren leeren Mägen, welche schon seit Längerem energisch insistierten, dass es doch Zeit sei für die Nahrungsaufnahme.
Kurzentschlossen legten wir hier eine Pause ein und liessen es uns gut gehen. Lilly wartete auch etwas später noch auf uns an ihrem Liegeplatz.
An den anderen Tagen vertrieben wir uns die Zeit mit E-Klappradausflügen zum Lac de Kir (ja genau, benannt nach dem Bürgermeister dessen Name für das berühmte Getränk steht), den wir auch gleich noch umrundeten.
Ein anderes Mal fuhren wir mit der Tram in die City, um zu flanieren, ein bisschen zu shoppen, ein paar Bilder zu schiessen und ein paar Kopien eines Schlüssels machen zu lassen.
Bei einem unserer Rundgänge um den Hafen fiel uns ein Boot mit Schweizer Flagge auf. An der Seite der Sina, so heisst das Schiff, konnten wir die Adresse der Website der Eigner lesen. Zurück auf der Lilly schrieben wir sie an und am nächsten Tag tauchten sie bei uns auf. Ein kurzes Gespräch, dann mussten sie wieder weiter, für mehr fehlte ihnen leider die Zeit. Vielleicht treffen wir sie einmal wieder, irgendwo auf Europas Wasserstrassen.
Lillys Trinkwassertank erlaubt uns, mit seinen 1600 Litern Fassungsvermögen, eine Autonomie von mehr als einer Woche. Trinkwasser gibt es bedauerlicherweise keines an diesem langen Quai und so kam gegen Ende des besagten Fassungsvermögens der Drang Frischwasser zu bunkern. Dafür mussten wir mit der Lilly ein paar Meter um die Île aux canards in den regulären Hafen fahren. Dort funktionierten die Anschlüsse zwar, aber mit sehr wenig Druck. Wir brauchten ca. zwei Stunden, bis Lillys Durst gestillt war.
So viel Zeit brauchten wir auch, um unsere Pulsfrequenz wieder auf Normalniveau zu bringen. Hatte uns doch eine steife Brise von Backbord her das Anlegen zwischen den viel zu kurzen Schwimmstegen vermiesen wollen. So etwas darf aber einen tapferen Kapitän nicht aus der Fassung bringen. Tat es auch nicht, er bewahrte Contenance, nur wer ganz genau meine Halsschlagader beobachtet hätte, hätte auf einen etwas erhöhten Ruhepuls von etwa 180 schliessen können. Durch den stetigen Wind von Backbord zog Lilly dermassen an den Leinen, dass man Angst hatte, wir würden den Nachbarsteg, wo wir die Leine belegt hatten, vom Quai abreissen. Der Steg ist noch am Platz und wir umkreisten die Insel ganz vorsichtig und in Schleichfahrt, einerseits des Windes wegen und andererseits weil wir der Wassertiefe nicht so recht trauten. Es wäre zu blöd gewesen auf einer Sandbank aufzusetzen. Aber auch dieses kleine Abenteuer überstanden wir ohne Grund- oder sonst eine Berührung. Später konnten wir zufrieden auf unserer Veranda sitzen und dem Geschnatter und Gezwitscher von Enten, Gänsen, Schwänen, Kranichen und Blesshühnern lauschen. Letztere sowie die Enten und die Gänse je mit einer Schar Jungvögel. Wir genossen ein richtiges Konzert der natürlichen Art.
Zwischendurch kommunizierten wir immer wieder mit der Werft, um herauszufinden, wann es sinnvoll wäre, für die letzten paar Handgriffe dort wieder aufzukreuzen.
So kam der Tag, an dem wir Dijon den Rücken kehrten und in die Schleuse Nr.55 einfuhren. Diese Schleusen auf dem Burgunderkanal sind alle bedient, wie an anderer Stelle schon erwähnt. Dieser Umstand machte es nötig, am Vortag bei VNF (Voies navigables de France) anzurufen und einen Termin für die Schleusung zu vereinbaren. Deshalb standen die Tore schon offen und die Schleusenwärterin bereit, als wir ablegten. Sie teilte uns mit, dass wir noch auf ein zweites Boot würden warten müssen, es war aber nichts zu sehen. Endlich kamen sie um die Ecke, ein Mietboot mit vier Besatzungsmitgliedern, der Kapitän war unschwer an der schönen weissen Kapitänsmütze zu erkennen. Wir haben ja auch schon Mietbooterfahrung und konnten leicht nachvollziehen, dass man bei den Kosten für ein- oder zwei Wochen möglichst viel sehen will. Darum wunderten wir uns auch nicht, dass sie, kaum aus der Schleuse, schon zum Überholen ansetzten. Ich nahm etwas Gas raus und liess sie passieren, was sie mit freundlichem Grinsen und Winken quittierten. Dass sie damit keine Minute gewannen, merkten sie spätestens nach ein paar weiteren Schleusen, in denen sie jeweils auf uns warten mussten. Die Schleusenwärterin konnte sich ja nicht teilen und die Wanne zweimal aufzufüllen wäre glatt Wasserverschwendung.
Eigentlich darf man mit einem Schiff, das länger als 15 m ist, nicht schneller als 6 Km/h fahren, trotzdem gab ich mein Bestes sie nicht zu lange warten zu lassen. Wohl war mir dabei aber nicht, die Ufer des Kanals sind nicht überall gut befestigt und mit 8 Km/h und einer Verdrängung von fast 40 Tonnen produziert man einen ordentlichen Sog. Zwar ist die Welle, die wir nachziehen, nicht so gross, aber gut ist das nicht, ausserdem wäre ich öfter gerne langsamer in die Schleusen eingefahren. Vielleicht hätte ich dann nicht zwei Fender, wegen Rissen, eingebüsst. Wann genau das passierte, weiss ich jetzt auch nicht. Egal.
Fast schon symptomatisch war, dass wir unseren Übernachtungsplatz zu Beginn bekannt gegeben hatten und demnach nach zehn Schleusen genug hatten, die Anderen jedoch wollten die ganze Strecke bis Saint Jean de Losne am selben Tag durchfahren. Ziemlich sportlich. Wir genossen einen beschaulichen Liegeplatz bei sonnigem, warmem Wetter. Es war derselbe, an dem wir bei der Fahrt nach Dijon schon über Mittag gelegen hatten.Wir kannten ihn also, und daher wussten wir, dass es Poller mit grossem Abstand hat und ansonsten ein wunderhübscher Platz ist. Bevor wir uns um das leibliche Wohl der Besatzung kümmern konnten, besuchten wir, zuerst den Supermarché Colruyt und anschliessend den Magapomme, eine Art Grossmarkt der regionalen Landwirtschaftsbetriebe. In beiden Geschäften wurden wir fündig, das heisst, wir fanden nicht alles, was wir auf unserer Liste hatten, dafür so einiges, von dem wir gar nicht wussten, dass wir es dringend brauchten, bevor wir es entdeckten. Zum Glück lag Lilly nicht weit entfernt und so mussten wir unsere Fundsachen auch nicht allzu lange schleppen.
Nach nur einer Nacht trafen wir um neun Uhr unseren Schleusier für die letzten zehn Schleusen, in der Schleuse Nr. 66.
Die Reise verlief unspektakulär und bolzengerade bis Saint Jean de Losne, wo wir nicht im Gare d`eau, vor dem Atelier H2O anlegten, sondern via die letzte Schleuse Nr.76 auf die Saône rausfuhren, um eine klitzekleine Zusatzschleife auf dem breiten Fluss, ohne die Enge des Kanals, zu drehen. Nach dieser Viertelstunde waren wir bereit in den Hafen von H2O am Kopfsteg des Pontons B anzulegen.
Hier verbrachten wir ein paar Tage, bevor Lilly, wieder durch die Schleuse 76 an die Bootsrampe musste, um die letzten paar Handgriffe ausführen zu lassen.
Davon wird dann der nächste Bericht erzählen.