Start in die neue Saison
Kleiner Rückblick auf das Saisonende 2021:
Nachdem die Skipperin, mit dem Zug, etwas früher in die Schweiz zurückgekehrt war, blieb der Skipper noch ca. drei Wochen auf der Lilly. Er versuchte, mit mehr oder weniger Erfolg, die Arbeiten am Laufen zu halten.
Mit dem Werftleiter wurde ein Video-Telefonat, so ca. alle zwei Wochen, vereinbart.
Bis zur Abreise beschäftigte sich der Skipper mit Selbstversorgung, Listen schreiben, um das Packen zu erleichtern, mit dem Werftleiter Meetings abzuhalten und das Schiff für den Winter vorzubereiten.
Das Angebot, mit den Schiffsnachbarn, mit denen sich ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt hat, in ihrem Auto nach Basel mitzufahren, nahm er gerne an, und so kam er am 6. November 2021 wohlbehalten in unserem Winterquartier an.
Endlich wieder auf der Lilly.
Wieder zog es den Skipper etwas früher zurück zur Lilly als Christine. Sie kam dann nur zwei Tage nach mir aufs Schiff. Dieses Mal fuhr ich mit dem Zug und sie kam mit den Freunden im Auto.
Vom Bahnhof ist es ein Fussmarsch von einer halben Stunde und dies mit einem schweren Rucksack und der Laptoptasche umgehängt.
Zum Zeitpunkt der Ankunft auf der Werft befand sich Lilly noch auf Stelzen an Land. Während des Gesprächs mit dem Werftleiter wurde, von mir unbemerkt, unser Schiff vorbeigefahren und über die Bootsrampe zu Wasser gelassen.
Die Leute von der Werft hatten es fertiggebracht, dass Lilly genau zum Zeitpunkt meiner Ankunft eingewassert werden konnte. Jetzt konnte sie wieder langsam aus dem Winterkoma geweckt werden.
Gleich am nächsten Morgen machten die Leute von der Werft, den Platz vor dem Atelier frei, dafür mussten zwei Schiffe an einen anderen Platz verholt werden. Der Hafenmeister teilte mir mit, dass ich dort wieder anlegen könne. Das liess mich zuerst einmal leer schlucken, schliesslich war ich allein, also ohne meine erste Matrosin. Aber es klappte, obwohl mir niemand half und dies die erste Fahrt seit einem halben Jahr war. Zudem hatte ich am Bug und am Heck nur je ca. einen Meter Luft. Als Lilly wieder fest vertäut am angestammten Platz lag, musste ich als Erstes einen grossen Schluck Wasser trinken, für das, was ich geschwitzt hatte.
In den folgenden Tagen wurden wieder diverse Arbeiten weitergezogen oder sogar vollendet. Unter anderem bekam Lilly neue Starter- und Service-Batterien. Dazu musste die Verkabelung neu verlegt werden und es gab zusätzliche Sicherungen, die bisher fehlten.
Spannend war zuzusehen, wie drei starke Männer die bis zu 75Kg schweren Teile ausbauten und dann die Neuen in den Maschinenraum wuchteten. Zum Zusehen verdammt war ich, da mein Lebendgewicht sieben Kilo tiefer liegt als eine der neuen Service-Batterien wiegen. Ich hätte nur im Weg gestanden.
Ostern stand vor der Tür und damit auch unser Besuch, der sich auf den darauffolgenden Mittwoch angekündigt hatte. Christines Sohnemann mit Frau und deren Sohnemännchen. Wir vereinbarten, uns in Dijon zu treffen und sie dort an Bord zu nehmen.
Dafür haben die Männer und Frauen von der Werft bis am Freitagabend (Karfreitag ist in Frankreich kein Feiertag) fleissig gearbeitet, um uns diese Fahrt zu ermöglichen.
Am Sonntagnachmittag legten wir ab, wendeten das Schiff und fuhren auf die Brücke am Ende des Hafens zu. Dort lagen zu diesem Zeitpunkt (der Salon Fluvial klang dort aus) ca. 12 Piper Boats. Alle schauten uns zu, wie wir ziemlich spät bemerkten, dass der Mast wohl nicht unter der Brücke durchpassen würde und darum abgelegt werden sollte. Ich musste die Maschine heftig rückwärtslaufen lassen, um rechtzeitig aufzustoppen. Nun liess sich der Mast aber so einfach nicht ablegen. Ein grosser Rollgabelschlüssel war nötig und um den zu holen, musste ich in den Maschinenraum steigen. Das Ruder war also verwaist. Nicht optimal, da auch noch heftiger Wind von Steuerbord kam. Es half nichts, der Mast musste runter. Das gelang uns zwar zügig, aber Lilly wurde vom Wind schon ans backbordseitige Ufer gedrückt. Wir waren froh, unter der Brücke durch zu sein und ausser Sicht des Dutzend Skipper, welche hoffentlich nicht nur Schadenfreude, sondern auch Mitleid hatten.
Bis nach Dijon sind es auf dem Canal du Bourgogne 21 Schleusen. Wir schafften an diesem Nachmittag gerade mal fünf davon.
Wir blieben für einen weiteren Tag an diesem Liegeplatz, an dem wir allein mit Fuchs und Hase uns gute Nacht sagen konnten.
Diesen Tag des Stillliegens, wurde von uns nicht zum Faulenzen gebraucht. Viel mehr machten wir, mit Schrubber, Wasserschlauch, Lappen und viel Fleiss, klar Schiff. Das war auch nötig, da der Liegeplatz, an dem Lilly den Winter verbrachte, ein sehr staubiger ist.
Am Dienstagabend erreichten wir Dijon, wo wir am langen Quai anlegten und festmachten.
Anderntags um die Mittagszeit tauchten unsere Gäste für die nächsten Tage auf. Auch dieses Mal benutzten wir ihr Auto, um noch einige Einkäufe zu tätigen. Etwas später fuhren wir alle zusammen, mit der Strassenbahn ins Stadtzentrum von Dijon für einen Rundgang in der prächtigen Altstadt. Das Nachtessen haben wir etwas später auf dem Schiff eingenommen.
Tags darauf, um ca. 08:45 legten wir ab, um wie mit dem Schleusenwart vereinbart um 09:00 Uhr in der nächsten Schleuse einzufahren.
Hier, auf dem Canal du Bourgogne, wird man immer von einem Schleusenwart begleitet. Der macht einem zum vereinbarten Zeitpunkt die Schleuse parat. Er oder sie überholte uns dann auf dem Weg zur nächsten Schleuse mit dem Skooter oder Auto. Bis wir dort eintrafen, waren die Tore bereits offen und so ging es bis Mittag. Die Mittagspause ist für die VNF-Angestellten sakrosankt. Viele sind aber flexibel und machen Pause, wenn wir gerade einen netten Liegeplatz für die Wartezeit ansteuern können. Andernfalls macht man seine Mittagsrast eben in der nächsten Schleuse. Das ist natürlich beim zu Berg fahren nicht so nett zwischen den schlammigen nassen Schleusenwänden. Wenn man hingegen zu Tal fährt, kann man meist in der vollen Wanne auf den Schleusier warten und hat dann oft eine schöne Aussicht.
Anders als auf unserer Fahrt von St. Jean de Losne bis Dijon, wo wir die Schleusen für uns allein hatten, wurden wir dieses Mal von der Victoria, einem 15 Meter langen Piperboat begleitet. Wir immer voraus und sie hintendrein. Ein nettes Eignerpaar aus England, sie achteten peinlichst darauf, nicht auf unsere, bislang nicht ganz fertige, Motorradplattform zu fahren. Gemeinsam füllten wir die Schleusen ziemlich aus. Wir mussten bis auf einen Meter ans vordere Tor und die Victoria musste aufstoppen, kaum dass sie ganz drin war. So ging das den ganzen Tag von einer Schleuse zur nächsten, insgesamt dreizehn Schleusen, bis wir in Fleurey sur Ouche für die Nacht anlegten. Vor dem Nachtessen vertraten wir uns noch etwas die Beine und besuchten den Ort. Dieser bot nichts Bemerkenswertes, ausser einem Intermarché, welchen wir aber noch gar nicht benötigten, hatten wir doch genügend Proviant in unseren neuen Luken unter dem Fussboden des Salons gebunkert.
Schon beim Anlegemanöver wollte mir das Ufer nicht so richtig gefallen, es war etwas untief und Steinblöcke waren im ansonsten recht klaren Wasser zu sehen. Wir benötigten unsere Landplanke, um ans Ufer zu gelangen. In der Nacht stellte ich fest: Lilly hat Schlagseite. Nicht sehr viel, aber doch spürbar. Was das bedeutete, war mir sofort klar. VNF hat in der Nacht den Wasserspiegel in unserem Bief (Kanalabschnitt) gesenkt und Lilly lag backbordseitig auf Grund. Als die Situation nach dem Aufstehen unverändert war, ging ich zur Victoria, welche ein paar Meter hinter uns lag und fragte Stuart, was er tun würde. Er gab mir den Tipp, es zuerst mit dem Frontstrahlruder zu versuchen. Also den Bug, der weniger Tiefgang hat als das Heck, in die Kanalmitte, ca. in einen 45° Winkel zu bringen und dann vorsichtig, mit wenig Gas und nach Backbord eingeschlagenem Ruder, das Heck freizubekommen. Er würde mich ansonsten an eine Schleppleine nehmen und frei ziehen. Das war zum Glück nicht nötig. Das Manöver funktionierte und der Skipper hat schon wieder etwas dazugelernt.
Auch dieser Tag verlief ähnlich wie der Letzte. Bei schönem, warmem Wetter, fast ohne Verkehr die vielen Windungen des Kanals durch eindrückliche und abwechslungsreiche Landschaft zu tuckern, hat schon was.
Als wir aus der Schleuse Nr. 34 ausfuhren, wurden wir von Urs Gysin, einem Schleusenschiffer-Klubmitglied, kurz angesprochen, ob wir auf der Jungfernfahrt seien, auf unsere Rückfrage meinte er, Lilly würde so neu aussehen. Ein weiteres nettes Kompliment, welches wir gerne annahmen. Urs betreibt an der Schleuse 34 ein kleines Gîte, also ein Gasthaus mit ein paar Zimmern, davon etwa drei in einem schwimmenden Haus, welches am Kanal angeleint liegt. Es gibt einen schönen Anleger mit Strom und Wasser. Ich wusste zwar von Urs und seinem Schleusenwärterhaus Nr.34 aus der Schleusenschiffer Zeitschrift, aber zu meiner Schande muss ich zugeben, dass mir nicht klar war, dass es am Burgunderkanal liegt. So beschlossen wir auf dem Rückweg hier anzulegen.
Heute aber ging es noch bis nach La Bussière sur Ouche. Noch in der Schleuse wollte die Schleusenwartin wissen, ob wir hier für die Nacht bleiben wollen und wann es anderntags weitergehen solle. Auf meine Frage, ob ich Lilly hier wenden könne, bestätigte sie mir das. Lilly benötigt bei einer Länge von 18,30 m plus 1,5 m für die Motorradplattform, mehr als die übliche Breite des Kanals, um wenden zu können. Also erklärte ich, mit meinem mehr als mangelhaften Französisch, dass Victoria morgen früh um 9 weiter den Kanal hinauf, wir aber hier wenden und ebenfalls um 9 Uhr wieder zurückfahren wollen.
Aus der Schleuse ausfahrend, hielten wir uns in Schleichfahrt nach Steuerbord und liessen Victoria passieren. Sie legten backbordseitig an und wir vollführten eine Pirouette über Backbord und legten steuerbordseitig an, sodass die beiden Schiffe, mit schönem Abstand, Heck gegen Heck lagen.
Und so verbrachten wir eine weitere ruhige Nacht an einem gepflegten und neu wirkenden «Halte Nautique» ohne Infrastruktur, welche wir aber noch immer nicht benötigten. Immerhin verfügt Lilly, wie alle Pipers, über üppig dimensionierte Frischwasser-, Diesel- und auch Schwarzwassertanks, sowie nagelneue grosse Batterien, Solarzellen und zur Not einen Generator. Wir sind also für mindestens eine bis zwei Wochen autark. Nicht zu vergessen, die neu eingebauten Luken, die grosszügigen Stauraum in der Bilge, wo es immer schön kühl ist, bereitstellen.
Christine besorgte am Morgen noch Brot aus der Boulangerie im Ort, während der Skipper sich und das Schiff für die Fortsetzung der Reise klarmachte. Es galt das Steuerhaus so aufzuklarieren, dass die Instrumente lesbar, heisst von den Abdeckungen befreit und eingeschaltet sind. Das Tablet mit der Navigations-App bereit und mit dem Monitor verbunden ist. Und alle Sicht- und Bewegungseinschränkungen beseitigt sind, unter anderem die Satellitenschüssel und nicht zu vergessen, der Mast gelegt sind.
Während unsere Gäste noch beim Frühstück sassen, steuerten wir bereits in die Schleuse ein, aus welcher wir am Vortag ausgefahren waren. Nun konnten wir uns wieder in der Schleuse ausbreiten, wir waren allein.
So ging es wieder zu Tal bis zum Gîte von Urs Gysin, unmittelbar vor der Schleuse 34, wo wir am Nachmittag eintrafen. Der unangenehm von achtern kommende Wind machte ein Eindampfen in eine Spring nötig.
Vergangenes Jahr konnte ich meine Harley abladen und Florian zu seinem Auto zurückfahren. Leider ging das nicht, da das Motorrad mit einer toten Batterie auf dem Werftgelände in einer Halle steht und auf eine neue Batterie wartet.
Was jetzt? Zum Glück sind die jungen Leute fit und sportlich und ausserdem war Urs so freundlich, ihnen zwei Velos zu leihen. Sie fuhren locker durch den Nieselregen die 25Km nach Dijon und brachten die Velos mit dem Auto zurück. In der Zwischenzeit passte Omi Christine mit viel Freude auf ihren Enkel auf.
Am nächsten Tag, nach dem Frühstück, packten die Drei ihre Siebensachen in Einen Kofferraum und zogen, nach der üblichen Verabschiedungszeremonie, von Dannen.
Am Abend trafen Christine und meine Wenigkeit uns mit Urs in seinem Schleusenwärterhaus zu einem gemütlichen Apéro und einem angeregten Gedanken- und Erfahrungsaustausch. Unter anderem lernten wir, dass der Kir, dieses feine Getränk aus Weisswein und Crème de Cassis, von hier, also von Dijon stammt. Erfunden hat es ein Herr Félix Kir (1876–1968), seines Zeichens Bürgermeister von Dijon, es war ein sehr interessanter und erfreulicher Abend. Weiterreisen mochten wir nicht sofort, der schöne Ort, an dem Lilly Trinkwasser bunkern konnte und es Strom für die Waschmaschine gibt, lud gewissermassen zum Verweilen ein. Etwas Entspannung, nach den turbulenten Tagen mit der Familie, tat uns gut.
Für die Weiterfahrt bekamen wir wieder Gesellschaft in Form eines sympathischen dänischen Eignerpaares, welches mit ihrem ehemaligen Mietboot unterwegs waren. Die Leute von VNF fragten uns, ob es okay sei, wenn wir zusammen schleusen würden, was wir natürlich bejahten, wohl wissend, dass VNF auf diesem Kanalabschnitt mit Personalproblemen zu kämpfen hat. Auf dieser Seite des Burgunderkanals, also von der Saône bis zur Scheitelhaltung, wo ein langer Tunnel die Schiffe durch den Berg fahren lässt, sind gerade mal sechs Schleusenwärter für die ganze Strecke mit immerhin 76 Schleusen zuständig.
Unser Nachtlager wurde wieder Fleurey sur Ouche, diesmal hielten wir etwas vor der Schleuse, an einer Stelle mit Stahlspundwänden. Und wieder sass Lilly am Morgen ganz leicht auf Grund, aber wir kannten natürlich jetzt die zielführende Technik. Eigentlich wollten wir noch etwas weiterfahren, aber der Schleusenwart sagte, dass das nicht ginge. Sie hätten zu dritt fünf Schiffe zu betreuen, uns beide und drei Hotelschiffe.
Dafür konnten wir am nächsten Tag in einem Rutsch bis nach Dijon durchfahren. Hier legten wir an derselben Stelle an wie vor ein paar Tagen. An diesem Ort wollten wir etwas länger bleiben.
Was wir in Dijon erlebten, wird Gegenstand des nächsten Berichts sein.