Der erste Bericht vom Fahren:
Seit unserem letzten Bericht, Nr.3 ist einiges vollbracht worden, unsere Plattform wurde fertiggestellt und angeschweisst. Der Scherenlift auf die Konstruktion geschraubt und das Porteos Motorradverladesystem auf den Lift montiert.
Die Tragkraft wurde mit drei Wasserfässern zu je 220 Litern über ein ganzes Wochenende erfolgreich getestet.
In der gleichen Zeit bekamen wir auch ein neues Stoffverdeck über das Steuerhausdach. Das Alte war über die Jahre geschrumpft und konnte nicht mehr mit den Druckknöpfen befestigt werden. Jetzt haben wir ein schönes Neues in burgunderrot, wasserdicht und atmungsaktiv.
Wir fanden im Intermarche eine Tisch- und Stuhlgarnitur, die alten Stühle und der Tisch, den wir schon lange hatten, passten irgendwie nicht mehr. Mit unserem zusammenklappbaren Sackwagen transportierten wir die Schachtel mit den vier Stühlen und dem runden klappbaren Glastisch zur Lilly auf die Veranda. Dazu haben wir dann auch noch eine schöne praktische Abdeckung machen lassen.
Auch wir bekamen Arbeit. Um zum Gewicht der Plattform mit dem Motorrad darauf einen Ausgleich zu schaffen, musste unter unserem Bett im Bug über eine Tonne Alteisen in die Bilge gelegt werden. Ein Teil davon war roh und rostig. Es waren dreissig dicke Scheiben aus Stahl, welche wir mit der Drahtbürste an der Bohrmaschine vom Rost befreien durften, danach haben wir die Kanten mit der Feile gebrochen und zum Schluss pinselten wir sie alle schön rot mit Rostschutzfarbe an. Jedes der Teile wog ca. zehn Kilogramm.
Daneben tauschten wir uns immer wieder mit anderen Schiffseignern, die ebenfalls hier auf Teile warteten und sich mit Unterhaltsarbeiten beschäftigten, aus. Mit Einigen waren die Kontakte intensiver, so wurden wir von Angelika und Heini mehrfach zu einem Glas Wein auf ihre Veranda eingeladen. Wofür wir uns natürlich mit entsprechender Gegeneinladung revanchierten. Es waren immer unterhaltsame, gesellige und lustige Abende. Einmal, wir waren gemütlich auf Lillys Veranda als ein Unwetter über uns hereinbrach. So flüchteten wir gemeinsam ins Steuerhaus, wo wir bei einem zweiten Glas das Gewitter abwetterten.
Ein anderes Mal gingen wir gemeinsam in der Saône baden. So verging die Zeit. Die Arbeiten schritten langsam aber stetig voran. Es wurde auch vieles im Hintergrund organisiert, bestellt und überwacht. Der Tag der Einwasserung rückte in greifbare Nähe, trotzdem setzte bei uns eine gewisse Nervosität ein. Die Kinder hatten sich für eine Woche auf dem Schiff angemeldet. Bis zum entsprechenden Datum waren es nur noch drei Wochen und wir sassen noch immer auf dem Trockenen. So machten wir ein bisschen Druck, wollten wir ihnen doch etwas bieten und ein wenig herumfahren. Das war auch unser lang gehegter Wunsch. Nun zeigte sich, dass man hier auf der H2O-Werft durchaus flexibel ist. Die Arbeiten unterhalb der Wasserlinie waren so weit abgeschlossen, dass Lilly ins Wasser konnte. Was sonst noch anstand, konnte dann immer noch gemacht werden. Etwa die Isolationsschicht zwischen Dach und Verdeck konnte sowieso erst ausgeführt werden, als Lilly im Wasser war. Vom Dach hätte unsere Schreinerin bei einem Fehltritt tief stürzen und sich dabei schwer verletzen können. Wenn dasselbe passiert, wenn das Schiff im Wasser ist, würde sie halt nass.
Jetzt kam der Tag der Offenbarung, würde die Konstruktion funktionieren, könnten wir tatsächlich die Harley auf- und wieder abladen?
Ja, heureka, es funktionierte perfekt. Zuerst probierten wir es mit einem leichteren Motorrad und dann aber kam unser schwerer fahrbarer Untersatz dran. Es hielt. Die Bedienelemente und der Motor für die Pumpe kamen provisorisch auf die Veranda.
Aus den drei Wochen wurden noch wenige Tage bis die Familie ankommen würde. So machten wir, auf Anraten mehrerer Personen eine Schulungsfahrt mit Roberto und Ursula nach Auxonne und, nach einer kleinen Mittagsrast, wieder zurück. Das Ganze fand bei teilweise starkem Regen statt. Dabei zeigte sich, dass ich auch ohne diese Instruktionsfahrt ausgekommen wäre. So sagte es zumindest unser Instruktor Roberto. Ich fühlte mich auch sehr wohl am Ruder von Lilly, aber ich war auch froh, dass die beiden uns begleiteten und dabei viele Tipps und moralische Unterstützung beisteuerten. Wir hatten beide schon einen recht hohen Puls bei gewissen Manövern, in Schleusen oder beim Anlegen. Wir bedanken uns hier noch einmal ganz herzlich bei den beiden, die uns freundlich und geduldig unterstützten. Immerhin waren das gleich einige Premieren für mich. Zum ersten Mal die Lilly steuern. Zum ersten Mal ein so grosses und schweres Schiff. Zum ersten Mal auf einem Fluss, wobei die Saône fast keine Strömung hat. Von der Fahrschule und der Prüfung auf dem Rhein in Basel war ich etwas ganz anderes gewohnt.
Genug der Selbstbeweihräucherung!
Auf dem Rückweg von Auxonne stellte sich ein seltsames Geräusch ein, so ein „Dong Dong etc.“ ein bisschen wie eine Glocke. Der Rhythmus stand im Verhältnis zur Drehzahl des Motors. Ein Blick auf die Welle im Maschinenraum bestätigte den Verdacht, die Welle schlug bei jeder Umdrehung an das Stevenrohr in dem sie lief, um die Kraft des Motors auf die Schraube zu übertragen. Eine Unwucht oder gar eine verbogene Welle? Und wieso erst jetzt? Wir fuhren natürlich auf einem Fluss mit etwas höherer Drehzahl als im Hafen oder Kanal. Das hatte wohl einen versteckten Fehler zutage gebracht. Jedenfalls fuhren wir deutlich langsamer die letzten paar Kilometer bis in den Hafen von Saint Usage und legten dort wieder an. Dies war an einem Samstag, da ich wusste, dass Phillippe Gerard von H2O sein Handy auch am Wochenende bei sich hat, schrieb ich ihm von dem Problem mit einem Filmchen der schlagenden Welle. Er antwortete umgehend und war am Montagmorgen an Bord, um sich die Sache anzusehen. Um eine Diagnose zu stellen, musste Lilly kurz aus dem Wasser und die Welle und der Propeller mussten genauestens kontrolliert werden. Gesagt getan, und schon zeigte sich das erste Mal, dass so ein Loch im Ruder (siehe Bericht Nr.3) eine feine Sache ist. Das ging Ruckzuck und die Welle wurde im Atelier mit dem Mikrometer überprüft. Kaum eine Abweichung, dasselbe mit dem Propeller, keine Unwucht. So wurde alles wieder eingebaut und Lilly konnte wieder ins Wasser, da sie mit der Welle im Stevenrohr nun auch dicht war. Jetzt wurde die Kupplung, als nächste Verdächtige ausgebaut und mit dem Mikrometer überprüft, und sieh da, der Übeltäter war gefunden. Eine heftige Unwucht, ausserhalb jeder Toleranz.
Was jetzt? In drei Tagen würden die Gäste an Bord kommen, sie hatten diese Urlaubstage schon lange zuvor in ihren jeweiligen Betrieben reservieren müssen.
Jetzt zeigte sich, dass wir hier in den besten Händen sind. Die Unwucht der Kupplung konnte mit ein paar Unterlagsscheiben an der richtigen Schraube auf ein, kurzfristig tolerierbares Mass reduziert werden. So sagte mir der Werftleiter Phillippe Gerard, dass ich damit ein bis zwei Wochen ohne Probleme würde fahren können. In der Zwischenzeit würde er für Ersatz besorgt sein.
Wir waren begeistert, nun stand einem gelungenen Urlaub der Kinder und Kindeskinder nichts mehr im Weg. Auf meinen Wunsch machten wir mit Phillippe eine kurze Probefahrt auf der Saône, um alles in Betrieb gründlich zu testen. Lilly bestand auch diesen Test.
Am ersten August, dem Schweizer Nationalfeiertag notabene, kamen sie im Auto von Flo angerauscht, mit Ehefrau Fränzi, Söhnchen Julian und Schwester Myriam. Die Verteilung der Schlafgelegenheiten wurde unkompliziert, wie sie alle sind, rasch erledigt. Das junge Elternpaar bekam die Gästekabine, der Enkel sollte im faltbaren Kinderbettchen im Salon schlafen und Myriam erhielt das komplette Steuerhaus für sich allein. Dort musste lediglich täglich der Tisch losgelöst und beiseite gestellt werden, anschliessend wurde mit den vorhandenen Latten zwischen den beiden Bänken und den abgelegten Sitz- und Rückenlehnpolstern ein grosses Bett eingerichtet.
Bevor wir anderntags starten konnten, mussten wir zuerst noch Einkäufe tätigen. Da war es Myriam die als ausgebildete Alphüttenwartin sofort die Organisation der Verpflegung übernahm. Es wurden Menüpläne erstellt, Einkaufslisten geschrieben und am Montagmorgen Flo’s Auto bis zum Dach mit Einkäufen gefüllt. Fragt mich bitte nicht, wo wir das alles verstauten. Obwohl, Lilly bewies Nehmerqualitäten und Myriam Organisationstalent. Es war am Ende ein Wohlorganisiertes Chaos. Immerhin war ein Kleinkind dabei. Da musste immer jemand ein Auge darauf haben. Aber auch wenn es für alle immer etwas zu tun gab, waren genug Mütter, Väter, Omis und Tanten (Jeweils nur Eine oder Einer) vorhandenen, dass das Risiko, dass etwas Dummes passieren könnte, nahe Null war. Und selbst der Skipper, der an der Verantwortung schon genug zu tragen hatte, hielt immer ein wachsames Auge auf den kleinen Lausbuben.
Nachdem alles an Bord verstaut und gesichert war, konnte ich endlich das Kommando: Leinen los ausgeben. Wobei Christine eine Vorspring behalten musste, bis Lilly durch ein Eindampfen ihr Heck in den Hafen hinaus hielt, was es mir erlaubte durch Rückwärtsfahrt aus dem engen Liegeplatz freizukommen. Gleich darauf mussten wir in die Schleuse Nr.76 einfahren, um zu Tal aufs Niveau der Saône zu schleusen. Als wir auf die Saône über Backbord abbogen und zu Berg navigierten war es schon kurz nach 15 Uhr. Etwas spät um für ein Schiff unserer Länge noch einen Liegeplatz für die Nacht zu ergattern. Aber wie sagt man? Die Dummen haben meistens Glück. So auch wir, am Gaststeiger in Auxonne, kurz nach der Brücke war tatsächlich noch ein Plätzchen für uns frei. Unsere Gäste unterstützten uns tatkräftig beim Anlegen mit den Seilen, als ob sie noch nie etwas anderes gemacht hätten. Christine machte mit der kleinen Familie einen kurzen Spaziergang, während Smutje Myriam ein feines Nachtessen zauberte. Der Skipper blieb ebenfalls an Bord, um sich um die Dinge zu kümmern, die nach dem Anlegen und Festmachen für die Nacht getan werden müssen. Wenn ich mich richtig entsinne, habe ich einen Aperitif getrunken. Später am Abend machten wir dann noch alle zusammen einen Spaziergang und am nächsten Morgen wollte, bevor wir weiterfuhren, die Burg besichtigt sein.
Und schon wieder waren wir ein bisschen spät dran. Nun denn, so machten wir einfach das Beste daraus. Wir hielten für eine Mittagsrast in Lamarche-sur-Saône am Steg des Restaurants Nymphéa an. Dieser Steg sah schon bessere Zeiten und der Zustand der Betonplatten liess es knapp zu, zu erkennen, dass es einst Betonplatten waren. Wir fürchteten ein bisschen um den Rumpf von Lilly. Es war nicht sehr tief da. Trotzdem konnten wir festmachen und etwas essen. Allerdings machte das Restaurant nicht den Eindruck, dass es offen war. Später fuhren wir weiter bis nach Mantoche.
Auf dem Weg dahin schauten wir immer wieder nach Anlegestellen, die frei waren und Platz genug für uns boten. Fehlanzeige. Wir trauten uns auch nicht, einfach ans Ufer zu fahren und an einem Baum festzumachen. Nun waren wir in Mantoche, ein schöner Quai aber alles belegt. Eine schweizerische Crew eines Mietbootes bot uns an, bei ihnen längsseits zu gehen, das heisst an ihrer Aussenseite festzumachen. Das war sehr freundlich und auch ein bisschen mutig, da wir viel mehr Masse haben und aus starkem Stahl gebaut sind. So gab ich mir alle Mühe ganz vorsichtig und äusserst langsam neben sie zu manövrieren und den Rest mit den Leinen zu machen. Das gelang und wir legten zudem Leinen hinter und vor ihnen. Wir nahmen sie gewissermassen in die Arme. Wir fragten, wann sie am anderen Morgen losfahren wollten. Da sie planten um 9 Uhr abzufahren, mussten wir selbstverständlich schon eine halbe Stunde vorher abgelegt haben. Was wir dann auch taten.
Wir kamen, nach verhältnismässig kurzer Zeit in Gray an. Es gibt ein langes Quai mit Ringen zum Festmachen sowie Strom und Wasser, gebührenfrei. Hier spazierten wir zusammen den Hügel hoch zur Kirche und von dort auf direktem Weg zur Burg. Auf dem Weg zurück zum Schiff deckten wir uns im Intermarche mit Frischwaren ein. Von hier waren es nur ein paar Schritte bis zur Lilly. Auch von hier bis zu unserem Nachtquartier in Rigny war es nicht weit. Allerdings waren wir wieder etwas spät. Der kleine Steg war schon von einem kleinen Boot besetzt und der kurze Rest wurde von zwei jungen Fischern belagert. Es gab aber noch einen weiteren grossen Poller ausserhalb der eigentlichen Anlegestelle. So lagen wir etwas improvisiert am Kanalufer vertäut. Auch hier verbrachten wir eine ruhige Nacht. Wie jeden Abend musste auch hier mit dem Enkelkind ein Spaziergang gemacht werden, um überschüssige Energie abzubauen. Ein Schiff ist halt für so ein Kleinkind nicht ganz ideal. Man kann nicht einfach mal kurz raus um zu spielen. Es kümmerten sich aber alle rührend um ihn. Die Hauptlast jedoch lag bei der Mutter, alle Anderen wollten beim Schleusen, Fahren, An- und Ablegen tatkräftig mithelfen.
Die Abende verbrachten wir leider nur einmal, in Auxonne, auf der Veranda. Ansonsten musste das Steuerhaus als Speisezimmer, oder schiffiger, Messe und Aufenthaltsraum herhalten, da es öfter regnete. Die relativ beengten Verhältnisse liessen keine coronamässigen Abstände zu, dafür war es trocken, jedoch waren wir alle geimpft oder getestet..
Unsere nächste Tagesetappe führte uns weiter die Saône zu Berg bis nach Ray sur Saône. Auf dieser heutigen Etappe lag der Tunnel «Souterrain de Savoyeaux», dieser misst 640 Meter und ist im ampelgeregelten Einbahnverkehr zu befahren. Ray s. S. liegt an einem der vielen kurzen, durch Schleusen geregelten Kanalabschnitte, die eine gerade Abkürzung eines unbefahrbaren Flussbogens bilden. Manchmal, so wie auch hier in Ray s. S., konnte ein Teil eines solchen Bogens ein Stück weit als Sackgasse befahren werden. Dort, wo es nicht mehr weitergeht, gibt es eine wunderschöne Anlegestelle mit mehreren kleinen Ein- und Aussteigeplattformen. Mit unserer Länge belegten wir gleich die letzten beiden Plattformen. An diese grenzt eine schöne gepflegte Rasenfläche mit mehren fest installierten Tischen und Bänken. Einen dieser Tische nahmen wir für unser Nachtessen in Beschlag. Es war, zur Abwechslung, ein schöner warmer Sommerabend. Ein Spaziergang zur Burg hoch führte uns an der Kirche vorbei, welcher wir einen kurzen Besuch abstatteten. Gleich daneben befand sich eines der berühmten alte Waschhäuser, die man in dieser Gegend überall findet. Von der Aussichtsterrasse bei der Burg genossen wir einen schönen Blick über das Tal der Saône, soweit das Auge reichte. Im Schlossgebäude waren wir nicht, dafür besitzt das Anwesen einen riesigen ebenfalls sehr gepflegten Park mit einem wunderschönen uralten Baumbestand.
Einige von uns genossen anschliessend noch ein Bad im Fluss, eine Wohltat für Leib und Seele.
Wir beschlossen am nächsten Morgen zu warten bis die Boote hinter uns abgefahren waren, um sodann unser Schiff ohne Motor aber unter Ausnutzen der hier erstaunlich kräftigen Strömung umzudrehen. So kamen wir zwar mit dem Heck gegen die Strömung zu liegen, konnten dann dafür aber die Harley abladen. Das geht eben nur nach Steuerbord.
Die Leine, die achtern steuerbordseitig mit dem Auge am Poller des Schiffes befestigt war, wurde um das Heck herumgeführt und am Steg durch einen Festmacher-Ring gezogen. Jetzt mussten nur alle anderen Leinen losgemacht werden, dem Bug ein kleiner Schubs verpasst werden, während Lilly sich mit dem Bug majestätisch langsam in die Strömung hinaus bewegte musste nur noch dem Heck ebenfalls ein kleiner Schubs gegeben werden, damit die Plattform mit dem Töff darauf nicht hängen bliebe. Im Moment, wo das Schiff quer zum Ufer langsam weiterdrehte musste ich die Leine über den Töff werfen. Alles klappte wie am Schnürchen, oder besser am Seil, und wir konnten sie wieder festmachen. Der Skipper war jederzeit Herr der Lage und erteilte der Leinenmannschaft knappe Befehle und war ganz cool. Äusserlich. Innerlich sah das etwas anders aus. Ich hatte mächtig Muffensausen und ca. 200 Puls.
Nun konnten wir das Ladesystem mit der höhenverstellbaren Plattform testen und luden die Harley einfach mal ab. Da es hinter dem Landesteg direkt auf den Rasen und etwas nach oben ging, mussten alle helfen sie rückwärts zuschieben, bis ich genug Platz hatte, um eine kleine Kurve zu fahren. Ein Stück weiter gab es einen Zugang zur Strasse, dort stellte ich sie erst mal ab. Wir, Flo und ich stürzten uns in die Motorradklamotten und fuhren ca. eineinhalb Stunden nach Saint Jean de Losne zurück und holten dort sein Auto ab. Getrennt fuhren wir dann zur Lilly zurück, wo wir das Auto auf dem Parkplatz stehen liessen und den Töff wieder aufluden.
Am Samstag fuhren wir bis nach Scay sur Saône. Auf dem Weg dahin hatten wir noch den Tunnel de Saint Albin mit 680 Metern zu bewältigen. Scay sur Saône liegt ebenfalls in einem Seitenarm und besitzt, ziemlich kurz vor dem Wehr, über welches die Wasser der Saône ein Stück nach unten fliessen, einen schönen Anlegesteg. Leider auch nur Platz für wenige Schiffe und alles belegt. So fuhren wir etwa hundert Meter zurück, dort hatten wir noch einen Anleger gesehen. Der war zwar frei, aber wir waren nicht sicher, ob er privat war. Er war aber ziemlich mit Geäst, der am Ufer wachsenden Bäume verwuchert. Dies hielt mich nicht davon ab ein ordentliches Anlegemanöver zu absolvieren. So lag Lilly in dieser Nacht in den Armen der Bäume und Sträucher. Ich hoffte einfach, dass unsere Lackierung stärker war als dieses Holz. Es geschah nichts Schlimmeres.
Hier konnten wir sogar einkaufen, es gab so eine kleine Ausgabe eines Carrefour.
Anderntags, es war der letzte Ferientag der Kinder, hielten wir Kriegsrat. Wir lagen eine gute Tagesreise von Ray entfernt, wo das Auto stand und andererseits nicht mehr allzu weit von Port sur Saône, von dem wir nicht wussten, ob wir das Motorrad würden abladen können, um das Auto zu holen. Ob wir das riskieren sollten, war eher der Entscheid der Kinder, da wir, anders als sie, keinen verbindlichen Termin hatten.
Bekanntlich ist die Jugend etwas risikofreudiger und so pokerten wir. Klar, wir hatten den obligatorischen Kanalführer in Papierform aber auch elektronische Tools und nicht zuletzt Google Maps mit Streetview. Aber sicher ist man immer erst, wenn man vor Ort ist.
Wir waren am Vormittag schon dort und es gibt ein langes Quai mit ordentlichen Pollern zum Festmachen auf einem Trottoir. Daneben ein Strässchen. Es sollte also möglich sein, das Zweirad abzuladen. Als wir dort anlegten, befand sich gerade ein Flohmarkt auf seinem Höhepunkt. Viele Leute flanierten auf dem Strässchen, dafür keine Fahrzeuge. Das Abladen wurde dann zu einem kleinen Spektakel für die, die gerade da waren. Unmittelbar nachdem ich den Töff neben das Schiff gestellt hatte und wir uns zur Fahrt bereit gemacht hatten, rauschte ein Regenschauer über den Ort. Nach einer kleinen Wartezeit fuhren wir nach Ray sur Saône zurück und holten Flo’s Familienkutsche ab. Für die wunderschöne Strecke benötigten wir doch tatsächlich eine halbe Stunde. Mit dem Schiff waren das zwei Tage.
Jetzt hiess es packen, das Auto vollladen und schon waren unsere Gäste wieder weg. Von hier ist der Weg nach Hause ein schönes Stück kürzer, als der Weg nach Saint Jean de Losne es war.
Mit dem Aufladen des Motorrades warteten wir noch bis nicht mehr so viele Menschen den Markt bevölkerten. Dann mussten wir dieses Manöver ganz allein durchführen. Erschwerend kam dazu, dass wegen des Trottoirs die Haltevorrichtung für das Vorderrad nicht ganz bis zum Boden reichte, ich musste also diesen Abstand überwinden, aber auch das klappte einwandfrei. Somit hat die Töffplattform, die es so wohl kein zweites Mal gibt, ihre Feuertaufe mit Bravour bestanden.
Am Nachmittag, nachdem der Töff wieder an Bord war, gingen wir noch über die Brücke in den rechtsufrigen Teil von Port sur Saône um ein Kabel zu kaufen. Wir fanden es in einem anderen Geschäft als wir dachten, dafür entdeckten wir noch einen ganz anderen Laden mit allen möglichen, nützlichen und nutzlosen Kleinigkeiten für das schöne Heim. Dort liessen wir Zeit und wenig Geld liegen und kamen mit einer Tasche voll praktischer Sachen wieder zur Lilly zurück.
Bevor wir uns am anderen Tag für die Rückfahrt von Port s. S. verabschieden konnten, mussten wir zuerst den ganzen Kanalabschnitt weiterfahren um auf der Saône wenden zu können. Beinahe 20 m Schiff wendest Du nicht einfach mal so in einem Kanal. Ausser, dass in den Kanälen eine Menge Grünzeug wächst, welches es auf unsere Schraube abgesehen hat, war das kein Problem. Mit ein paar Mal in den Rückwärtsgang schalten liess sich das Grünzeug von der Schraube lösen. An unserer Liegestelle vorbei, kam kurz darauf der Hafen, der Port de Plaisance von Port s. S. Hier konnten wir am Kopfsteiger festmachen und für eine kleine Gebühr Trinkwasser bunkern. Das reichte dann sogar für den Rest der Reise, für die wir nun auf uns gestellt waren. Wir vermissten unsere Gäste nun nicht nur als unsere Familie, sondern auch als willkommene Helfer an allen Ecken und Enden. Myriam hat sich täglich um unser leibliches Wohl gekümmert, es schmeckte immer grossartig und wir hatten nichts damit zu tun. Das kann man gar nicht genug wertschätzen. Daneben gab es die Arbeit an den Leinen, die von ihr und ihrem Bruder perfekt gemacht wurde. Er hat ansonsten viel Bild- und Tonmaterial mit Handy, Fotoapparat und Drohne beigesteuert und dies mit viel Erfahrung und Können. Seine Frau Fränzi musste sich vor allem, wenn wir anderen mit Manövern beschäftigt waren, um das jüngste Crewmitglied kümmern und hat uns den Rücken freigehalten. Der kleine quirlige Sonnenschein bereitete uns allen stets grosse Freude und hat im Speziellen seinem Omi das Herz erwärmt.
Auf dem Weg zurück benutzten wir beinahe dieselben Anlegestellen wieder, die wir schon kannten. Wir nahmen uns etwas mehr Zeit und blieben zweimal einen Tag länger liegen. Einmal in Ray s. S. um die Lilly gründlich zu putzen, vor allem Aussen. Da war immer noch eine Menge Staub von der Werft auf Deck. Das zweite Mal in Gray um Einkäufe zu erledigen und etwas zu entspannen.
Eine kleine Anekdote sei mir noch gestattet. Als wir uns Auxonne, der letzten Station vor unserem Ziel näherten, beobachteten wir, wie sich hinter uns eine mächtige Gewitterwolke auftürmte. Ein anderer Skipper, mit dem wir die letzte Schleuse vor Auxonne durchliefen, meinte, da kommt was Schlimmes. Wir hatten ein Riesenglück, einmal, dass der von uns erwünschte Liegeplatz frei war, dann dass mir das Anlegemanöver mit 180° Drehung und eindampfen in eine Vorspring rasch und perfekt gelang und zudem, dass wir so ein Supertiming hatten. Kaum waren die Leinen belegt, fing es an zu tropfen und wir flohen ins Steuerhaus, bevor der Himmel sich über uns ausschüttete.
Nun liegen wir wieder in Saint Jean de Losne. Das Getriebe wurde gleich am Tag nach unserer späten Ankunft ausgebaut und eingeschickt. Jetzt warten wir auf den Expertenbericht.
Wie es weitergeht und was sonst noch so passiert ist, wird Gegenstand des nächsten Berichts sein, der dann hoffentlich nicht so lange auf sich warten lassen wird.
Zum Schluss noch etwas Statistik aus dem Logbuch:
Zwischen dem 1. und dem 16. August 2021
302 Km, 34 Schleusen 4 Tunneldurchfahrten und 54 Motorenstunden.