Nachdem wir unser Trinkwasser abermals nahezu verbraucht hatten, was wir bedauerlicherweise nur schätzen konnten, musste Lilly erneut zum bereits erwähnten Kopfsteg manövriert werden. Dieses Mal lagen an unserem Steg zwei weitere Pipers, was den verfügbaren Platz zusätzlich einschränkte und beim aktuell starken Wind erschwerend wirkte. Mit vollem Wassertank zurück an unserem Platz konnte der Skipper den Messfühler erfolgreich kalibrieren. Es ist schon beruhigend, wenn man sich auf die Anzeige einigermassen verlassen kann. Nachdem wir ein paar Tage auf den Techniker für die Waschmaschine gewartet hatten, warteten wir noch einmal zwei oder drei Tage, bis das Team unserer Werft mit den neuen, leistungsstärkeren Solarpanels aufkreuzten. Bild Nr001Tatkräftige Unterstützung erhielten sie bei der Montage der Panels, vom Skipper selbst. Bild Nr002Das Verschrauben der Panels untereinander stellte sich als schwieriger als erwartet heraus. Die Herausforderung war, mit einem Finger in unmöglichem Winkel eine Mutter unter den Panels auf eine Schraube, die man auch noch erst von unten durch zwei Löcher stossen musste, aufzusetzen und anzuziehen. Das alles auf Knien auf dem Dach des Steuerhauses kauernd. Aber das ist alles Kaffee von gestern (oder sagt man kalter Schnee?), jetzt pumpen die Panels aus jedem Sonnenstrahl ordentlich Strom in die Batterien, eine wahre Freude.
Endlich konnten wir unser Stromkabel, welches von uns im Herbst verlegt wurde, einziehen und im Maschinenraum versorgen und uns vom Hafenmeister verabschieden. Nach beinahe einem Monat, seit wir wieder auf der Lilly lebten, konnten wir endlich die Leinen los werfen und via die Schleuse Péronnes auf die Schelde oder Escaut, wie der Fluss auf Französisch heisst, auslaufen. Bild Nr004Bis Tournai, wo der Passantenhafen hinter einer Wellenbrechermauer liegt, war es nicht weit, eine Affäre von vielleicht zwei Stunden. Unterwegs gab es noch eine kleine Situation, in der der Puls des Skippers in die Höhe schoss. An einer Stelle, wo auf beiden Seiten Frachter lagen, kam uns ein uns riesig erscheinender Frachter entgegen, er hielt genau auf uns zu und der verfügbare Platz zum Kreuzen schien nicht zu reichen. Getriebe in den Rückwärtsgang und Vollgas war die Devise. Dass es, bei ca. 10 Km/h einen Moment braucht, bis Lilly von einer Vorwärtsbewegung in eine Fahrt achteraus und gegen die Strömung wechselte, kann man sich leicht vorstellen. Kaum, dass sich Lilly an die Kaymauer hinter einem anderen Frachter drückte, rauschte der entgegenkommende vorbei. Jetzt sahen wir auch den Grund dafür, warum er uns nicht mehr Platz gelassen hatte, auf seiner Steuerbordseite hing das Bunkerboot von Antoing, welches die Grossen während der Fahrt mit tausenden Litern Diesel und Trinkwasser versorgt. Endlich erreichten wir Tournai. Da der Fluss mitten durch die Stadt eng ist und auf halbem Weg eine Hebebrücke liegt, wird der Verkehr vom Brückenwart in alternierender Weise über Funk und Lichtsignale geregelt. Also funkten wir, wurden aber offensichtlich nicht gehört oder wir hörten die Antwort nicht, das, zumindest teilte uns die Brückenwärterin am Telefon mit, als wir gezwungenermassen dieses zwecks Kontaktaufnahme benutzten. Dafür erhielten wir, auf Deutsch Notabene, die Auskunft, dass uns ein Frachter entgegenkomme und wir anschliessend in den Hafen einlaufen können. So liefen wir, als die Ampel auf Grün schaltete, nach ein – zweihundert Metern in den Hafen ein, wo wir einen neuen langen Schwimmsteg komplett leer vorfanden.Bild Nr009
Bild Nr014War unser Winterhafen Péronnes nicht sehr urban, hatten wir es hier mit einer hübschen kleinen Stadt zu tun, einer der ältesten Belgiens, wohlgemerkt. Sie bietet alles Mögliche zum Besichtigen, viele Einkaufsmöglichkeiten (auch Baumärkte), Restaurants, touristische Hotspots und einen ansprechenden Hauptplatz im historischen Zentrum. Wir versuchten alles zu besuchen, zu bestaunen, zu benutzen und am Ende nicht zu vergessen. Einmal besuchten wir ein fantastisches Tai Restaurant, l’Elephant blanc, wo wir richtig lecker gegessen haben. Aus den Baumärkten schleppten wir allerhand Material für mehrere kleine Projekte an. Dabei auch einen neuen kleinen Hochdruckreiniger, weil der Alte undicht geworden war. Sogar das Museum de Beaux Arts erhielt einen Besuch von uns.
Die Leute von der Werft in Péronnes kamen einmal zu Besuch, um die Stecker der Solaranlage korrekt zu pressen, sie hatten die Presszange jemandem ausgeliehen und erst montags zurückerhalten und ohne dieses spezielle Werkzeug konnten sie die Anschlussstecker nur provisorisch anschliessen. Wenn es das Wetter zuliess, Bild Nr018konnten wir auch an der Dichtung der Steuerhausfenster weiterarbeiten. Weil die alten Dichtungen ihren Namen nicht mehr verdienten hatten wir immer bei Starkregen Regenwassereinbrüche im Steuerhaus, was nicht schön ist. Die Arbeit ist ein Krampf, mit einem Teppichmesser zwischen Glas und Holz vorsichtig und trotzdem kraftvoll das alte Zeugs herauskratzen und dann eine mehr- oder weniger schöne Silikonfuge anbringen. Das bedarf Zeit und ein – zwei trockene Tage bevor man zur Tat schreiten kann. Und so wird ein Fenster nach dem Anderen trockengelegt. Die Restlichen sind provisorisch mit dem breiten, grauen Klebeband abgedeckt und so ist das Steuerhaus momentan trocken.Bild Nr020
Auch musste der Scheibenwischer, wegen schlechter Leistung gegen einen Neuen ersetzt werden. Der Start dieses Projektes erfolgte auch noch in Péronnes und wurde hier vollendet, genauer gesagt verbessert. Was der Skipper ebenfalls bereits in Péronnes ausgetauscht hat, ist die komplette Küchenspülgarnitur mit Trinkwasserfiltersystem. Für die Alte gab es keine Filterkartuschen mehr und die Bedienung war, mit drei Drehgriffen, etwas unhandlich. Die Neue hat für Warm- und Kaltwasser einen Mischerhebel und ein Extrahahn mit eigenem Ausguss, liefert gefiltertes Trinkwasser für etwa die Kaffeemaschine. Ausserdem lässt sich der Kopfteil des Hahns ausziehen und von normalem Neoperl auch auf Brause umschalten. Wir haben grosse Freude daran.
Nicht restlos glücklich sind wir über die Leistung der neuen Funk-Antenne. Diese haben wir auf dem Steuerhaus zwischen die vorderen Solarpaneele montiert. Wir wissen nie, ob wir von den Schleusen- und Brückenwarten gut gehört werden können und ob die Störgeräusche nicht sogar von deren Funkstationen kommen, so erlebt vor dem Hafen in Tournai.
Ein paar Tage lagen wir ganz allein, bis plötzlich gleich zwei Pipers auftauchten, alles freundliche Leute, auch wenn wir kaum Gelegenheit zum Plaudern fanden. Als dann noch eine Jacht anlegte, war der Steg beinahe voll belegt.Bild Nr024
Zwei Tage später brachen die beiden Pipers, wieder im Konvoi, auf und liefen auf der Schelde zu Berg aus dem Hafen aus.
Wir ebenfalls, allerdings zu Tal. Wieder versuchten wir uns beim Brückenwart für die Durchquerung der Engstelle, inkl. Hebebrücke, anzumelden, bekamen leider wieder keine Antwort. Telefonisch dasselbe. Bild Nr040Die Marine-Traffic-App zeigte uns einen Frachter, welcher uns in wenigen Minuten passieren würde und in dieselbe Richtung wie wir unterwegs war. Kurz entschlossen hängten wir uns an ihn dran und konnten so ohne weitere Kontaktaufnahme unter der gehobenen Hebebrücke durchlaufen. Kurze Zeit später, immer noch hinter dem viel schnelleren Frachter, meldeten wir uns über Funk bei der Schleuse Kain. Erwartet haben wir eigentlich, dass wir zu warten hätten, bis der Frachter vor uns geschleust worden wäre, weit gefehlt, wurde uns per Funk mitgeteilt, dass wir vorziehen und mit einem etwas kleineren Frachter (60 Meter) zusammen schleusen sollen. Dies war das erste Mal, dass wir über Funk mit Schiffsname angesprochen wurden. Also überholten wir den grossen Frachter, dessen Skipper freundlich winkte, der aber etwas beschleunigte, wohl um vor der Schleuse anzulegen. Etwas verunsichert, ob der Grosse nun noch neben uns Platz suchen würde, steuerte ich zuerst nach Steuerbord hinter den Anderen. Erst als ich realisierte, dass der Grosse wirklich keinen Platz mehr hätte, änderte ich den Kurs nach Backbord, um an der anderen Seite die Leinen um die Poller zu legen. Trotz der Hast gelang das Manöver, zwar hektisch, aber dennoch ohne Schaden und rechtzeitig bevor die Schleusung eingeleitet wurde. Dafür hatten wir den weiteren Weg für uns allein, der kleinere Frachter entschwand aus unserem Blick und der grosse musste natürlich warten, bis die Schleuse wieder hochgefahren war. Bild Nr042Bei wirklich schönem Wetter mit angenehmen Temperaturen liefen wir die Schelte zu Tal bis zur Abzweigung in den Kanal Bossuit – Kortrijk der unmittelbar mit einer Schleuse für Schiffe bis 85 Meter ausgelegt ist. Frustrierend war, auch hier klappte der Funkkontakt nicht auf Anhieb, zum Glück verfügen wir dank der Waterkaarten-App immer auch über eine Telefonnummer. Wir erfuhren, dass wir eine Weile warten müssten, weil ein Frachter erwartet werde, welcher aus dem Kanal auf das Niveau der Schelde hinunter geschleust werden würde und wir nach dessen Auslaufen in die Schleuse einlaufen dürfen und nach oben geschleust werden würden. Oben angelangt kam der Schleusenwärter zu uns und erklärte uns, wie das System mit den drei letzten Schleusen vor der Leie ablaufen würde und dass das erst nach dem Wochenende stattfinden werde. Wir teilten ihm mit, dass wir ohnehin gleich nach der Schleuse am rechten Ufer anlegen würden, wenn es dort Platz hätte und erst am Montag weiterreisen würden. Das beruhigte den Schleusier und wir liefen aus der Schleuse und nach etwa hundert Metern legten wir an einem einfachen Steg an. Später am Nachmittag legte hinter uns ein Boot mit niederländischer Flagge an. Bild Nr044Das freundliche niederländische Paar sprach fliessend Englisch, aber auch passabel Deutsch. Sie erklärten uns, dass ihnen der Schleusenwärter eröffnet habe, dass sie erst am Montag den Kanal durchlaufen können und nur mit uns zusammen. Uns sollte das Recht sein, sie würden sich mit den flämischen Schleusenwärtern in deren Sprache unterhalten können, was für alle vorteilhaft sein könnte.Bild Nr051
Der Liegeplatz war, nach der Woche in Tournai, Erholung pur. Hier gibt es ausser Natur nicht viel. Endlich konnten wir an den undicht gewordenen Fenstereinfassungen weiter arbeiten. Bis auf die letzten drei schafften wir alle. Zwischendurch konnten wir immer wieder Wasservögel aller Art mit ihren Jungtieren beobachten, es ist einfach süss zu sehen, wie die Kleinen piepsend ihrer Mutter hinterher schwimmen, während diese sie ebenfalls dauernd ruft.
Für die Abfahrt am Montag machten wir mit den Holländern eine Zeit aus, zu welcher wir auch parat gewesen wären. Sie teilten uns jedoch mit, dass sie vom Koordinator des Kanals ein neues Zeitfenster, eine Stunde später, erhalten hätten. Dann aber klappte alles wie am Schnürchen, ausser, dass wir an der ersten von zwei Grossschleusen auf einen Frachter, der natürlich Vorfahrt hat, warten durften. Danach, bis zu den letzten drei kleinen Schleusen, 40 × 5,10 Meter, keine Probleme, die erste stand offen, also liefen wir vor dem kleineren Boot ein und legten unsere Leinen um die Poller. Diese letzten drei Schleusen, dicht hintereinander, werden jeweils zusammen als Schleusentreppe manuell bedient. Bild Nr055Es war aber niemand da, also wieder eine Stunde warten, die Zeit nutzten wir für unser Mittagsmahl. Der freundliche Schleusenwärter, der dann erschien, teilte uns strahlend mit, dass jetzt um 14.00 Uhr eigentlich die Schleusung in der Gegenrichtung dran sei, er uns aber, entgegen der für ihn geltenden Weisung trotzdem hinunter schleusen und er uns durch alle Drei begleiten würde. Der niederländische Skipper und wir schauten uns ob der etwas holprigen Bürokratie nur verwundert an. Bild Nr063Die Schleusung klappte dann aber zügig und problemlos. Es blieb sogar etwas Zeit für ein wenig Small Talk, so fragte er zum Beispiel nach dem Motorrad unter dem Verdeck am Heck von Lilly. Auf meine Antwort, dass es eine Harley sei, machte er grosse Augen und zückte sein Handy, um mir Bilder seiner Harleys zu zeigen und zu beschreiben, was er alles an ihnen modifiziert habe. Ich zeigte mich gebührend beeindruckt. Oder wie es Roger, unser Lotse auf dem Rhein vom letzten Jahr, gesagt hätte, einbedruckt.
Aus der letzten Schleuse auslaufend, befanden wir uns direkt auf der Leie, oder Lys, wie sie auf Französisch heisst, welche gleich vor dem Schleusen-Vorhafen vorbeifliesst. Über Backbord auf die Leie einbiegen und knapp hundert Meter zu Berg laufen und immer auf den regen Frachtverkehr achtend, war noch einfach. Nach dieser kurzen Strecke hiess es achteraus, also rückwärts in einen Nebenarm der Leie und unter einer nur drei Meter hohen Brücke (mit den Solarpaneelen ist Lilly zwei Meter fünfundachtzig über Wasserlinie hoch) durch in den Hafen von Kortrijk einlaufen und an einem freien Platz am langen Steg festmachen. Das ganze Manöver wurde noch versüsst mit kräftigem Wind, einer leichten Gegenströmung, einer lang gezogenen Kurve und einigen bereits dort liegenden Schiffen, welche wir nicht touchieren wollten. Der Skipper nahm es sportlich und hat zunehmend Spass an solchen Herausforderungen. Bild Nr075Am Ende lag Lilly ordentlich vertäut am Steg, als ob nichts wäre.
Im Vergleich mit Tournai fanden wir Kortrijk etwas spannender und den Hafen etwas schöner, was uns veranlasste auch hier eine Woche zu bleiben. Bild Nr076Wir freuten uns, dass bis hierher alles gut gelaufen war und stürzten uns auf die Altstadt, sie zu erkunden. Einkäufe aller Art mussten getätigt werden, so zum Beispiel neben den Sachen des täglichen Bedarfs auch Kleidungsstücke und Schuhwerk für Christine, als auch für die Enkel, ein neuer Staubsauger und eine neue Schallzahnbürste. Es gibt mehrere schöne grosse Plätze mit gepflegten alten Häusern, überall Kopfsteinpflaster und touristische Restaurants mit hunderten Tischen auf den Plätzen. Leider war nicht jeder Tag eitel Sonnenschein, öfter war es trüb, nass und kalt. Am Wochenende fand überall in der Stadt ein Festival statt. Eine DJ-Bühne befand sich an der Leie, wo wir unter der Brücke achteraus eingelaufen waren, also ganz in unserer Nähe. Unsere Besuche der City an diesem Wochenende begleitet von viel und lauter Musik aller Art und mit vielen anderen Menschen wären nichts für Personen mit Platzangst gewesen. Ähnliches kennen wir nur von unserer Basler Fasnacht. Und so landeten wir bald wieder auf unserem Schiff, wo wir uns sicher und geborgen fühlen, jedoch war auch hier die Musik von der nahen Bühne extrem laut und sehr Basslastig. Man konnte die Vibrationen im ganzen Schiff spüren, vorsichtshalber pressten wir die Zähne zusammen, damit uns nicht die Plomben aus dem Mund flogen. Schön fanden wir, dass in der Nacht auf Montag bereits um 01.00 Uhr schlagartig die Lautstärke stark verringert wurde, hatten wir uns doch schon innerlich auf eine Nacht wie die auf Sonntag gewappnet, wo das Spektakel bis 04.00 gedauert hatte.Bild Nr096
Am Tag der Weiterreise hofften wir auf einen Liegeplatz für eine Nacht am langen Steg in Deinze vorzufinden, das eigentliche Ziel Gent in einem Tag, würde uns möglicherweise etwas überfordern. Zwei Grossschleusen, zwei Hebebrücken und 36 Flusskilometer die Leie hinunter wurde unsere Hoffnung erfüllt, es schien Platz zu haben am Passantensteg. Bild Nr104Wobei ein dort sitzender Fischer das vermutlich etwas anders sah. Jedenfalls fuchtelte er herum, um uns dazu zu bewegen, etwas weiter, ans Ende des Stegs anzulegen, ich gestikulierte zurück, dass er sich beruhigen solle, weil wir ohnehin dort anlegen wollten. Für ihn sah es wohl so aus, als ob wir uns direkt vor ihn hinlegen wollten. Wie so oft anzutreffen, verwechseln diese Leute Schiffsanlegestellen mit Plätzen zum Fischen. Gerne hätte ich ihm erklärt, dass Schiffe auf solche Stege angewiesen sind und diese für Schiffe gebaut wurden, Fischer, auf der anderen Seite eigentlich überall ihres Hobbys frönen können, aber leider spreche ich kein flämisch und er dafür nichts anderes.
Nach einer ruhigen Nacht freuten wir uns, trotz mittelmässigem Wetter, auf die Weiterfahrt, jetzt auf der touristischen Leie, diese ist nicht für grosse Schiffe geeignet, in Kortrijk meinte ein anderer Skipper sogar, wir könnten mit unserer Länge Probleme bekommen. Wer mich kennt, weiss, dass solche Aussagen für mich eher Ansporn sind, als Abschreckung. Probleme indes gab es keine, aber anstrengend war es schon, jedoch auch wunderschön. Bild Nr105Ganz allein in traumhafter Umgebung, mit vielen, zum Teil dramatisch engen Kurven, vorbei an einer endlosen Kette von sehr noblen Anwesen mit Villen in allen möglichen Stilen und Bauweisen. Bild Nr117Die Äcker, Wiesen und Wälder auf der anderen Seite liessen uns die Augen ausruhen. Am Ende kommt eine Verzweigung, wo sich links und rechts die «Ringvaart» um Gent erstreckt, welche wir überqueren mussten, um weiter ins Zentrum von Gent auf der Leie zu gelangen. Christine wurde vom Skipper, ausgerüstet mit unseren Gegensprech-Headsets, in Lillys Bug beordert, wo sie, wie immer in solchen Situationen, gewissermassen den Ausguck macht. Ohne diese Vorsichtsmassnahme würden etwa fünfzehn Meter Lilly in den Querkanal hinausragen, bevor der Skipper ein herannahendes Frachtschiff erst sehen könnte. Sie hingegen sah es so frühzeitig genug, dass wir gefahrlos mit viel Gas auf die andere Seite hinüberrauschen konnten. Wir waren beim Hafenmeister von Portus Ganda telefonisch angemeldet und wussten so auch ganz genau, wo wir Lilly hinzulegen hatten. Unser Weg führte uns auf engen Kanälen durch die Stadt, vorbei an einigen Kais mit schönen Pollern, von denen wir wussten, dass das Anlegen hier verboten ist. Auf unserer, bedingt durch zu niedrige Brücken, umständlichen Route, kamen wir am Hafen Lindelei vorbei. Hier lag ein anderes Piperboat, was des Skippers Aufmerksamkeit gefangen nahm. Dadurch hätte er beinahe die Abzweigung in die «Kettelvaart» verpasst. Als er registrierte, dass die Abzweigung schon fast vorbei war, folgte ein gehampel, auf das ich nicht stolz bin. Alles unter den kritischen Augen des Skippers des dort liegenden Pipers.Bild Nr124 Anstatt schön langsam um die enge Kurve zu gleiten, war ein grobes Aufstoppen und Zurücksetzen notwendig und anschliessend ein ebenso starkes drehen nach Steuerbord, was auch etwas zu hastig war, sodass mit vollem Ausschlag des Ruders nach Backbord knapp eine Berührung mit dem Ufer verhindert werden konnte. Schwamm drüber und weiter gings. Viel lieber hätte ich auf der Höhe des anderen Pipers kurz aufgestoppt, um ein wenig zu quatschen, so jedoch weiss ich nicht einmal den Namen des Schiffes und demzufolge auch nicht des Eigners. Bild Nr133Ab hier nahmen wir es wieder ruhiger und glitten wenig später durch den Portus Ganda zu dem uns zugewiesenen Liegeplatz, direkt hinter der «Thomas Porter» einem etwa hundertjährigen niederländischen Traditionsschiff unter niederländischer Flagge. Dass der Eigner nicht Niederländer, sondern Schweizer war, merkten wir erst zwei Tage später, als er uns aus dem Steuerhaus in breitestem Berndeutsch ansprach, worauf ich ihn sofort wiedererkannte. Er war der grosse ältere Mann, der uns in Montreux-Château beim Anlegen die Leinen abnahm und mich per Handschlag begrüsste, was sich wie in einem Schraubstock anfühlte. Wir hatten noch zwei, drei kurze Gelegenheiten zu einem Schwatz, aber leider insgesamt viel zu kurz für all die interessanten Geschichten, die wir einander zu erzählen gehabt hätten. Dabei sind es gerade diese Momente des Treffens mit Gleichgesinnten, welche dieses viel zu kurze Leben mit Sinn und Gehalt füllen. So zumindest fühlt es sich für mich an. Bild Nr144Vor der Thomas Porter lag ein etwas kleineres Traditionsschiff mit Namen André. Mit der Eignerin, einer jungen Französin, ergaben sich ebenfalls ein zwei kurze Gespräche. Ihr Schiff ist ihre Wohnung, viel ist sie bisher nicht gefahren, allein ist es fürBild Nr188 sie noch zu schwierig, sie hat aber Pläne, um ihre Fahrtüchtigkeit zu steigern. 
Nun befanden wir uns also für acht Tage in Gent. Vom Hafen in die Altstadt sind es ca. 10 Minuten zu Fuss. Diesen Weg nahmen wir fast täglich unter die Füsse, ausserdem den ca. achtminütigen Weg zum Hafenmeisterbüro, welches quer über den Hafen liegt. Ansonsten machten wir dasselbe wie tausende andere Touristen, wir marschierten herum, fotografierten, was das Zeug hält, nahmen gelegentlich einen Apéro und gingen auch einmal auswärts essen. Gent bietet wieder etwas mehr als Kortrijk, welches etwas mehr bietet als Tournai und dieses als Péronnes. Leider zeigte sich das Wetter weiterhin als eher garstig. Wir freuten uns über jeden Sonnenstrahl.
An unserem Steg trafen sich immer wieder alle möglichen Leute für Mittagspausen oder um abends etwas abzuhängen, teilweise sahen wir immer wieder dieselben. Auch Touristen kamen dort vorbei und machten Fotos. Obwohl der Steg nicht speziell geschützt ist, fühlten wir uns immer sicher, niemand war aufdringlich oder unhöflich, eher respektvoll distanziert. Bild Nr184Andere Jachten legten hier für zwei Nächte an und sprachen teilweise mit uns (nicht die Jachten, die Eigner). Die Thomas Porter war für ein paar Tage weg, sie mussten ins nahe Trockendock, um den Rumpf unterhalb der Wasserlinie neu streichen zu lassen und für die alle sieben Jahre fällige Inspektion, für die niederländische Beamte extra anreisten, zu bestehen. Alles gut, erzählte der Berner uns, als sie wieder zurück waren.Bild Nr202
Besonders gefallen hat uns der Besuch der grossartig renovierten Burg Gravensteen, mitten in der Altstadt. Das Eintrittsticket kauften wir mit einer speziell dafür installierten App auf dem Handy und konnten so direkt eintreten, nur den QR-Code, den man nach der Zahlung auf dem Handy-Display angezeigt bekommt, an das Lesegerät halten und schon ist man drin. Im Shop (alle Burgen haben einen Souvenir-Shop) erhält man ein Audiogerät, welches einem in der gewünschten Sprache in Text mit Musikuntermalung eine Geschichte zu den verschiedenen Räumen und Objekten erzählt. Bild Nr166Gent wird auch als kleines Venedig des Nordens bezeichnet, was man gut daran sehen kann, dass unzählige Touristenboote kreuz und quer durch die Stadt fahren und die Kapitäne dieser Boote über Lautsprecher ihren Gästen die Geschichte der Stadt näher bringen. Man kann die vielen Gassen mit ihren Kopfsteinpflastern und den zahllosen Brücken und Stegen, den schönen Häusern, Plätzen, Kirchen, Brunnen, Denkmälern und Restaurants durchaus als pittoresk bezeichnen.
Dennoch kam der Tag des Abschieds und wir zogen weiter, das nächste Ziel soll Brügge sein, welches uns als besonders schön, wärmstens ans Herz gelegt worden war.
Der Weg dorthin und wie es uns erging, kann im nächsten Bericht gelesen werden.