Wir sind nun also in Paris.
Zweieinviertel Tage, zu kurz werden viele denken, aber für die Besichtigung von ein paar Sehenswürdigkeiten und einmal auswärts essen, hat es gereicht. Da jeder und jede etwas anderes mit der Stadt der Liebe verbindet, ersparen wir es ihnen, uns in Details zu verlieren.
Wir hatten schlicht nicht genug Zeit und offen gestanden, im August ist die Stadt etwas anstrengend. Was also macht der kluge Skipper? Er marschiert ins Hafenmeisterbüro, entrichtet den geforderten Obolus und bunkert anschliessend noch Trinkwasser.
Nach einer erholsamen Nacht und dem obligaten ersten Kaffee liefen wir die ganze Länge durch den Hafen von Arsenal und in die Schleuse, die uns einige Meter tiefer auf die Seine hinaus entliess.
Wir befanden uns immer noch mitten in Paris, wo der Verkehr auf der Seine keine Langeweile aufkommen lässt. Entsprechend vorsichtig liessen wir Lilly in die Fahrrinne hinaus und über Steuerbord weiter die Seine zu Tal laufen. Für diesen Tag hatten wir uns einen Liegeplatz in einem Seitenarm der Seine ausgesucht, welcher durch die Inseln Île Fleurie und Île des Impressionnistes gebildet wird. Die Wahl fiel uns leicht, es gibt nicht viele Alternativen auf dieser Strecke, welche jedoch ausserordentlich spektakulär ist. Geht es doch mitten durch die Millionenstadt mit ihren Monumentalbauten, teilweise im signalisierten Linksverkehr, mit einigen anderen und viel grösseren Wasserfahrzeugen und unter unzähligen, grandiosen, alten und modernen Brücken hindurch. Genauer genommen sind es 45 Brücken und eine grosse Schleuse auf dieser Etappe. Der Fluss macht hier einige weite Bögen, was vom Schiff aus nicht so auffällt, als wenn man es auf der Karte betrachtet. Fünfeinviertel Stunden benötigten wir für die 46 Kilometer. Beim Näherkommen an besagten Liegeplatz, stellten wir erfreut fest, dass an dem Steg noch genügend Platz hinter der Mimosa vorhanden war. Um mit dem Bug gegen die Strömung anzulegen, zogen wir etwas am Steg vorbei, wendeten und legten Lilly hinter ihrem Schwesterschiff der Mimosa an den Steiger. Der Skipper der Mimosa, wir kennen uns seit Moret sur Loing, kam uns die Leinen abzunehmen und bemerkte: «es kommt noch ein anderes Piperboat, aber der Platz sollte reichen, wenn wir ganz zu ihm aufschliessen würden». Das machten wir doch gerne, wobei besagtes Boot bis zu unserer Weiterreise gar nie kam …
Im letzten Bericht ist zu lesen, dass wir nur einmal in der ganzen Saison baden waren. Das stimmt so nicht, hier genossen wir das saubere Wasser der Seine für einen kurzen Schwumm, gegen die Strömung ebenfalls.
Bis zur Weiterreise blieben wir für eineinhalb Tage, oder zwei Nächte. Malmaison hinterliess keinen spürbaren Eindruck bei uns, wenn wir einmal von einem speziellen Erlebnis absehen. Irgendwann am Spätnachmittag spielten eine Handvoll Halbwüchsiger im und um den Brunnen gleich oberhalb unseres Stegs, dabei bewarf einer seinen Kollegen mit einem beinahe faustgrossen Stein!! Dieser Kollege wich dem daherfliegenden Stein behände aus. Unglücklicherweise war Lilly nicht so flexibel, sie lag ja auch an den Leinen und sicherheitshalber zusätzlich an einer Kette, der Stein krachte demzufolge auf unser Oberdeck. Unsere Dachlackierung erhielt ein, zwei kleine Beschädigungen und wir einen Schrecken. Einer hatte wenigstens den Anstand sich für seine Kollegen zu entschuldigen, lässt zwar hoffen, den Schaden hatten wir trotzdem.
Für die nächste Etappe wollten wir auf der Seine bis zur Mündung der Oise durchziehen, gleich dahinter sollten passende Liegestellen sein. Von dort wäre es die Oise zu Berg nur ca. neun Kilometer bis zum Hafen von Cergy, wo wir für zwei Tage reserviert hatten. An der Schleuse de Bougival reagierte niemand auf unseren Funkruf, den wir mehrfach wiederholten. Schliesslich griff ich zum Telefon und rief die Nummer aus unseren Unterlagen an. Der Schleusenwart benötigte ein paar Sekunden, um zu verstehen, wo wir waren und wohin wir wollten, als das klar war, teilte er uns mit, dass wir noch auf einen Frachter warten müssen und hinter diesem dann einlaufen könnten. Bis zur Oisemündung benötigten wir ungefähr eine Stunde, wir waren vor zwölf Uhr da. Es wurde noch einmal spannend, der Streckenabschnitt bis zur Mündung muss links gefahren werden und etwa 100 Meter davor liegt eine Eisenbahnbrücke. Alle beide mussten wir nach allen Richtungen aufpassen, um ja keinem anderen Schiff vor den Bug zu laufen. Also hopp, die Seine in ihrer ganzen Breite überqueren und die Oise zu Berg fahren, gleichzeitig die erwarteten Liegeplätze auskundschaften. Diese sahen nicht so einladend aus und da wir noch früh waren und der Platz in Cergy reserviert war, entschieden wir uns weiterzufahren. Auch auf der Oise muss immer mal wieder die Seite gewechselt werden, was jedes Mal zu leicht erhöhtem Puls beim Skipper führt. Bis zum Hafen von Cergy sind es, von der Mündung aus, knapp neun Kilometer, wofür wir etwa eine Stunde brauchten. Nachdem wir ordentlich vertäut angelegt hatten, suchten wir das Hafenbüro auf, um für zwei Nächte zu bezahlen. Dass wir immer noch im Grossraum Paris waren, merkten wir am Preis, nicht so hoch wie im Port Arsenal, aber auch nicht direkt günstig. Nach einer kleinen Exkursion durch den Ort gab es auf der Terrasse des Café Bahijana einen wohlverdienten Apéro. Etwas später fragte der Hafenmeister uns, ob wir auch den Schwarzwassertank auspumpen lassen wollten, die Eigner des Piperboats, welches vor uns am Steg lag, waren soeben dabei. Nachdem klar war, dass dieser Service in der Hafengebühr inbegriffen ist, nahmen wir die Gelegenheit wahr. Es geschah das erste Mal seit wir mit Lilly unterwegs sind, diese Abpumpstationen sind sehr dünn gesät in Frankreich. Am Ende des Prozesses fiel dem unglücklichen Hafenmeister der für Pipers notwendige Adapter in den Fluss. Er habe noch so einen, also kein Problem. Bis Myri und Markus am nächsten Tag auf der Lilly ankommen würden, war gerade genug Zeit, um Gästekabine und -bad für sie klarzumachen. Wann immer Lilly keine Gäste beherbergt, ist diese Kabine nämlich des Skippers Büro. Die Wiedersehensfreude war so gross wie immer, wenn man sich nach längerer Zeit wiedersieht. Sie reisten mit dem Zug an, um uns für eine Woche zu begleiten. Wo sie dann wieder von Bord gehen würden, wussten wir zu dem Zeitpunkt noch nicht, aber dass wir die Oise weiter zu Berg laufen würden, schon. Es sollte ein Ort mit Bahnhof sein, welchen würden wir kurzfristig gemeinsam bestimmen. Aber zuerst einmal genossen wir die Zeit mit unseren Gästen, erkundeten den Ort und verbrachten einen gemütlichen Abend bei einem feinen Z' Nacht auf Lillys Achterdeck.
Weit kamen wir nicht am nächsten Tag, nach etwa eineinhalb Stunden legten wir am Schwimmsteg in Pontoise an, wo wir uns mit einer Bekannten von Markus verabredet hatten. Nach einer entspannten Kaffeerunde auf dem Achterdeck entführte sie die komplette Crew der Lilly für eine Besichtigung ihres Gehöftes nicht weit von Pontenoise. Nur der Skipper blieb als Schiffswache zurück. Dafür bewältigten wir am nächsten Tag in fünf Stunden 37 Kilometer mit einer grossen Schleuse unterwegs, bis zum Halte fluviale Saint-Leu-d'Esserent. Dieser Liegeplatz reicht gerade mal für ein Schiff unserer Länge, umso grösser war unsere Freude, als wir in unbelegt vorfanden. Gut für eine Nacht. Davor spazierten wir durch den Ort und besichtigten die Abteikirche Saint-Nicolas, sonst gibt es nicht viel, auch kein offenes Restaurant, dafür war es später auf dem Achterdeck umso gemütlicher.
Auf der nächsten Etappe legten wir nach der Schleuse Verberie für eine Mittagspause an einem Industriekai an und bewegten uns später, trotz vorgerückter Stunde weiter bis Compiègnie, unserem heutigen Ziel. Wir erreichten den Ort um ca. 17 Uhr, hier sollte es viel Platz haben, trotzdem waren wir erleichtert, dass wir am Ende einer langen Reihe von Schiffen unsere Leinen um ein paar massiver steinerner Pfosten und Querbalken legen konnten. Mehrere Faktoren führten zum allgemeinen Übereinkommen, dass wir für zwei Nächte hier bleiben würden. Zum einen die vielen Stunden Fahrt und die 43 gefahrenen Kilometer, zum anderen handelt es sich bei Compiègnie um einen grösseren Ort mit einem Stadtzentrum und etwa 70'000 Einwohnern, einem Schloss mit stattlichem Garten und vielem mehr. Diesen zusätzlichen Tag nutzten wir, um einige dieser Sehenswürdigkeiten zu besichtigen, sowie für Besorgungen und für einen gemütlichen Abend in einem indischen Restaurant. Am dritten Tag warfen wir die Leinen los, diese Stadt hätte sicherlich einen längeren Aufenthalt verdient, wir hingegen wollten unseren Gästen noch ein wenig mehr Fahrspass gönnen und uns eine weitere Annäherung an unseren Winterhafen. Bereits nach nur knapp zwanzig Kilometern erreichten wir am frühen Nachmittag den Liegeplatz bei Ourscamp, ziemlich spartanisch, zwar in unseren Unterlagen notiert, aber nur ein paar Baumstümpfe, um die Leinen darumzulegen. Darum herum ….nichts. Am gegenüberliegenden Ufer lag ein Frachtschiff still. Hier auf der Oise gab es praktisch keinen Freizeitverkehr, dafür einiges an 85 Meter langen Frachtern, was erfreulich ist, als dass nur eines dieser Schiffe die Last von etwa 1000 Tonnen laden kann, also in etwa so viel wie 50 Lkw, das bedeutet 49 Motoren weniger, kein Bremsbelags- und Reifenabrieb etc.
Etwas später am Nachmittag legte vor uns eine Linssen-Yacht mit Schweizer Besatzung an. Wir haben ein paar Worte gewechselt, es ist immer interessant, wie rasch man mit anderen Schiffern ins Gespräch kommt und wie viel Austausch in kurzer Zeit stattfindet.
Immer wieder sieht man Schiffswracks am Ufer liegen, seit wir auf der Seine unterwegs waren, mehr als üblich. Dabei kommt man ins Grübeln, wie kommt es dazu und wieso werden sie nicht geborgen? Die Kosten werden wohl mit ein Grund sein. Einen traurigen Anblick bieten diese Rosthaufen, die einmal Jemandes ganzer Stolz waren, schade.
Auf unserer anschliessenden Tagesetappe auf dem Canal latéral â l'Oise kamen wir an der Abzweigung zum Canal du Nord vorbei, einem vorwiegend von Frachtern stark befahrenen Wasserweg. Auf diesem wären wir direkt zu unserem Winterhafen gekommen, wir wollten aber nicht auf so einer «Schnellstrasse» durchheizen, zumal wir plötzlich Zeit hatten, es war erst Mitte August. Den Plan via den Canal de la Sambre à l'Oise in Richtung Belgien zu fahren, hatten wir schon in Paris gefasst, aber damit geliebäugelt hat der Skipper bereits im letzten Winter beim Vorbereiten der Saison 2023. Mit diesem Kanal hat es nämlich etwas Spezielles auf sich. Er wurde im Jahre 2005 geschlossen und war seither nicht mehr schiffbar, der Grund: zwei alte Kanalbrücken drohten zu brechen und hätten dabei mehrere unterhalb liegende Dörfer überschwemmt. Die beiden Brücken mussten komplett neu gebaut, 25 Schleusen renoviert und der Kanal ausgebaggert werden. Erst seit 2021 ist dieser Wasserweg wieder offen, allerdings nur für die Freizeitschifffahrt und viel Infrastruktur (Häfen) gibt es nicht. Wir fühlten uns dabei ein bisschen wie Eroberer oder Entdecker, schliesslich hatten die Menschen am Weg seit Langem keine Schiffe mehr gesehen. Also liessen wir den Canal du Nord an Backbord liegen und liefen weiter auf dem Canal latéral â l'Oise Richtung Nord-Ost. Am frühen Nachmittag erreichten wir Chauny, wo der Halte Fluvial Alfred Leroux an unserer Backbordseite liegt und für Schiffe unserer Grösse eigentlich keinen Platz anbieten kann, Visavis gibt es aber einen guten Kai mit Pollern, wo wir bequem festmachen konnten. Das genügte uns vollkommen, Strom beziehen wir direkt von der Sonne und die Trinkwassertank-Füllstandsanzeige zeigte immer noch mehr als halb voll. Weil hier unsere Gäste von Bord gehen und mit dem Zug in Richtung Heimat reisen wollten, beabsichtigten wir für ein paar Tage hierzubleiben.
Als wir wieder allein waren, verschoben wir Lilly ans andere Ufer unter dem Kran, wo uns die freundliche Hafenmeisterin gestattet hatte zu liegen, nachdem sie die Liegegebühr für eine Nacht kassiert hatte. Auf diese Weise konnten wir Trinkwasser bunkern, bevor wir am nächsten Tag aus dem Hafen ausliefen und weiter dem Canal de la Sambre â l'Oise folgten. Bis zu einem weiteren einsamen Kai im Nirgendwo, wo es nur ein paar Reste von Festmacherringen gibt, genug für uns. Auch hier blieben wir allein für diese Nacht. Viel Verkehr gab es hier wirklich nicht.
Der Folgetag war in mehreren Hinsichten besonders, einmal weil wir sieben Stunden lang von Schleuse zu Schleuse über Brücken und unter Hebebrücken durchliefen und dabei rund 30 Kilometer zurücklegten, zum anderen, weil wir die beiden nagelneuen Brücken querten, nämlich am: 22.08.23 um 14.34 Uhr, die nagelneue Kanalbrücke de Macquigny und um 16.02 Uhr, die ebenfalls nagelneue Kanalbrücke de Vadencourt, beide Baujahr 2021. So waren wir zufrieden, als wir nach der Schleuse Vandencourt den gleichnamigen Halte Nautique leer, aber mit anständigen Pollern für unsere Leinen vorfanden. Etwas später legte hinter uns eine Yacht an, deren Crew uns Respekt abverlangte, war der Skipper schliesslich schon in seinen 80ern und genoss mit seiner Gattin das Wasserwandern noch immer. Dieses Belgiers Deutsch war hervorragend, sodass wir uns grossartig unterhielten und austauschen konnten. So stellten wir ebenfalls fest, dass wir sie bereits in Chauny gesehen hatten, aber dazumal nicht in Kontakt gekommen waren. Dass wir sie ein paar Tage später in ihrem Heimathafen Hautemont an der Sambre in Belgien bereits wieder treffen würden, wussten wir zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht. Diesen schönen Spätsommerabend liessen wir entspannt und genüsslich bei einem weiteren feinen Znacht und einem Glas Rosé auf unserem Achterdeck ausklingen.
Weiter ging es auf dem Canal de la Sambre à l'Oise. Nach der Schleuse Nr. 16 de Tupigny führt der Kanal im Bogen um den Ort Tupigny, mit zwei Schwingbrücken und gleich darauf drei weitere Schleusen Nrn. 14 bis 12. Auf diesem Kanal wird man von freundlichen Schleusenwärterinen von VNF mit dem Auto begleitet, welche die verschiedenen Brücken und Schleusen bedienen. Dadurch entfallen lästige Wartezeiten fast komplett, weil die Brücken und Schleusen bereits vorbereitet und offen stehen, bis wir da sind. Bis zum Hafen von Étreux mussten wir noch die restlichen elf Schleusen bewältigen und befanden uns dann auf dem höchsten Abschnitt, der Scheitelstrecke, des Kanals. Der Hafen war zwar nahezu leer, aber die einzelnen Buchten für Lilly etwas zu kurz, darum legten wir unsere Leinen aussen an der Spundwand der Bootsrampe um die Klampen. Um nun an Land zu gelangen, um Einkaufen gehen zu können, mussten wir über die sehr schmale Spundwand balancieren.
Am nächsten Morgen liefen wir aus dem Hafen aus und setzten unsere Reise auf der Scheitelhaltung fort. Bald tauchte die Schleuse Nr.1 auf, ab hier geht es wieder zu Tal, das heisst man läuft in die volle Schleuse ein und aus der geleerten unten wieder hinaus. Heute schafften wir es bis Landrecies wo wir oberhalb der Schleuse einen perfekten Schwimmsteg für die Nacht fanden.
Bis hierher lief Lilly auf dem Canal de la Sambre à l'Oise, am anderen Tag, nach Bewältigen der Schleuse, befanden wir uns endlich auf der Sambre. Ab hier ist sie schiffbar, sie empfing uns mit heftigen Regenschauern, was gleichzeitig schlechte Sicht bedeutet und das Navigieren auf dem schmalen Fluss, mit starkem Bewuchs der Ufer und vielen engen Kurven, gelinde gesagt spannend gemacht hat. Entsprechend langsam und vorsichtig bewegten wir uns talwärts. Dennoch schafften wir in fünf dreiviertel Stunden 33,5 Kilometer und erreichten am frühen Nachmittag den Hafen von Hautmont, wo wir übers Wochenende liegenblieben.
Liegengeblieben ist genaugenommen nur Lilly. Die Besatzung machte, unter Zuhilfenahme der E-Klappräder, Ausflüge, Besorgungen und besuchte einmal auch ein Steakhouse zwecks Nahrungsaufnahme. Der Ort verfügt über einen wohl sortierten Baumarkt, wo wir eine neue LED-Röhrenleuchte für den Maschinenraum und einen Tischventilator für die Gästekabine fanden. Die Leuchte wurde sehnlichst erwartet, unangenehmerweise blieb es im Maschinenraum seit einigen Tagen dunkel und man musste eine Handlampe mitnehmen, wenn man beispielshalber den Ölstand kontrollieren wollte. Nach dem Austausch der kompletten Leuchte sank der Stromverbrauch bei gleichzeitig grösserer Helligkeit. Zum Glück hatte der Skipper ursprünglich Elektriker gelernt und war von der Aufgabe nicht stark gefordert, ein paar Kraftausdrücke mussten trotzdem sein, bis alle Schrauben dort sassen, wo sie sollten.
Ansonsten gibt es über diesen Ort nicht sehr viel zu erzählen, vielleicht noch, dass die Strassen über erstaunlich viele Rad-Streifen verfügen. Dies ist immer noch Frankreich, aber ein nördlicher Einfluss scheint gegeben.
Am Montag erreichten wir kurz nach der Mittagszeit Jeumont. Auch von hier gibt es nicht viel, aber der Eindruck vom nördlichen Einfluss erhärtet sich, finden sich doch immer mehr Gebäude, sowohl Kirchen als auch Wohnbauten, welche sich in Backstein ohne Verputz zeigen. Weil montags die Haarkünstler ihre Läden geschlossen halten, hängten wir eine weitere Nacht an, der Skipper brauchte einen Haarschnitt, welchen er sich anderntags, für unverschämt kleines Geld, zugutekommen liess. Das Gewissen des Skippers verlangte ein anständiges Trinkgeld, worüber der Barbier sichtlich erfreut war.
Die folgende Tagesetappe führte uns in etwas mehr als vier Stunden die Sambre weiter zu Tal bis zum schönen Ort Thuin, wo wir einen der letzten zwei freien Liegeplätze am Schwimmsteg fanden. Auf dem Weg dahin überquerten wir die Französisch-Belgische Grenze und mussten in der ersten Schleuse, Écluse n° 1: Solre-sur-Sambre, ein paar Formalitäten erledigen. Der Schleusenwärter bat mich in sein Büro und verschwand. Da es regnete, musste ich mir erst mal eine Jacke und einen Hut überziehen und sah nicht in welche Türe er verschwand und so stand ich kurz darauf im Wohnzimmer des Mieters des alten Schleusenwärterhauses. Freundlich komplimentierte er mich hinaus und zeigte mir die richtige Tür, keine fünf Meter weiter. Es wirkte, als ob er sich solches gewohnt war. Beim Schleusenwärter wurden sämtliche Eckdaten von Lilly und der Eignerschaft erfasst und in einer landesweiten Datenbank eingegeben. Dafür erhielten wir eine Nummer, welche wir in Zukunft bei jedem Ein- oder Austritt aus Belgien, angeben würden können ohne weitere Angaben machen zu müssen. Hier scheint man in der Neuzeit angekommen zu sein. Bezahlen mussten wir nichts, in Wallonien, dem südlichen Teil Belgiens ist die Benutzung der Wasserstrassen und der dazugehörenden Infrastruktur gratis, abgesehen von den privat geführten Häfen. Eine Spezialität verdient noch Erwähnung, in einigen der folgenden Schleusen mussten wir Lilly gleich am Eingang an die Leinen legen. Der Grund ist, dass mitten quer über die Schleuse eine Klappbrücke führt. Für Schiffe nicht länger als Lilly wird diese erst aufgeklappt, wenn das untere Tor bereits offen steht, erst dann wird der rollende Verkehr gestoppt und wir konnten auslaufen, spannend.
Wie es in Thuin und auf dem Rest unseres diesjährigen Trips weiterging, erfährt der geneigte Leser, die geneigte Leserin im nächsten Bericht.