Nach wie vor bewegten wir uns auf dem Canal Rhone au Rhin in Richtung Saône. Noch immer zu Tal, was bedeutet, dass wir in volle Schleusen einliefen und wie in einem Lift einige Meter weiter unten zum zweiten Tor ausfuhren. Ebenfalls teilt sich der Kanal seinen Weg streckenweise mit dem Doubs welcher auch noch immer Hochwasser führte.
Kurz vor unserem Tagesziel Deluz, kreuzten wir noch die Mamour von Theo Müller, auch ihn kannten wir von unserer gemeinsamen Hollandreise 2017 mit dem Schleusenschifferklub. Er rief uns zu, vor der ersten Brücke rechtsufrig würden wir einen guten Liegeplatz mit Ringen zum Festmachen finden.
Die Hochwasserschleuse 46b, die wir eine Minute später durchfahren wollten, war geschlossen und zeigte mit Doppel-rot an, dass sie «en Panne» sei. So legten wir, etwas unkonventionell an einem Geländer an und warteten auf den Schleusier von VNF. Der kam alsbald und wir konnten bis zum besagten Liegeplatz durchfahren. Um später am Nachmittag unsere Füsse vertreten zu können, mussten wir einen Regenschutz mitnehmen, der Doubs führte nicht umsonst Hochwasser. Das Wetter war kühl und regnerisch. In Deluz fanden wir eine kleine, gemütliche Bar für einen Apéro. Ansonsten gab es hier nichts Besonderes. Kurz nach Mittag des Folgetages erreichten wir Besançon. Dort wollten wir an dem langen Schwimmsteg gleich nach dem Tunnel aufdrehen und somit mit dem Bug gegen die Strömung, wie es sich gehört, anlegen. Die Soloris lag schon dort. Als Urs uns bemerkte, kam er an Deck und rief uns zu, wir sollten weiterfahren, VNF hätte ihn bereits wegen zu erwartendem Hochwasser weggeschickt. Wir sollten die Stadt umrunden und am Schwimmsteg vor dem anderen Ende des Tunnels anlegen, er würde dann durch den Tunnel zu uns stossen. Um das besser zu verstehen, empfehle ich Ihnen, sich die Situation mittels eines Kartendienstes (z. B. Google-Maps) anzusehen. Der Doubs führt nämlich in einem grossen Bogen um die Altstadt von Besançon herum, was ihr im Mittelalter bereits einen riesigen taktischen Vorteil gegenüber potenziellen Angreifern beschert hat. Man kann diesen Bogen, der nicht immer sehr viel Wasser führt, mittels obengenanntem Tunnel umschiffen, respektive man kann abkürzen. Der Tunnel ist nur 388 Meter lang und kann auch von Velofahrern und Fussgängerinnen benutzt werden, aber die Flussschleife ist deutlich länger. Aussen herum befindet sich auf halber Strecke eine sehr alte hölzerne Schleuse, die komplett von Hand, also mit Muskelkraft bewegt werden muss. Es gibt auch keinen Schleusenwärter, der helfen würde. Wir kannten das Prozedere schon von unserem Urlaub in England. Auch hier musste Christine raus und die ganze Arbeit machen, da sie das Fahren der entsprechenden Manöver lieber dem Skipper überlässt. Das Ganze wäre bestimmt noch lustig gewesen, die Tore waren offen, als wir ankamen und wir konnten direkt einfahren. Doch in genau diesen zwanzig Minuten öffnete nicht nur Christine die Schieber, sondern auch Petrus. Ein gewaltiger Wolkenbruch testete die Dichtigkeit Christines Regenschutzes.
Etwas später legten wir am anvisierten Steg an und kurz darauf kam die Soloris aus dem Tunnel, welcher am Ende ebenfalls eine, allerdings bediente, Schleuse hat. Mit unseren beiden Schiffen belegten wir den Steg, der ziemlich neu, gut gebaut und gross ist, komplett.
Ganze sechs Tage blieben wir hier liegen. Ausser dem üblichen Site-seeing gab es einen ausgesprochen netten Abend beim Chinesen und fast einen ganzen Tag verbrachten wir auf der Zitadelle, hoch über der Stadt. Nicht nur gibt es dort oben ein paar Museen, es existiert sogar ein kleiner Tierpark. Eindrücklich war die Show, die ein stolzer Pfau bot, als er seine Herzensdame aufs heftigste bebalzte.
So ganz nebenbei unterstützte Urs den Skipper tatkräftig beim Kreieren einer Notlösung, als die alte Grauwasserpumpe nun doch den Geist endgültig aufgab. Eine Neue hatten wir seit Mülhausen dabei, die passte wegen eines Bestellfehlers des Schiffstechnik-Lehrlings, also des Skippers, jedoch nicht auf die Schläuche. Urs flexte kurzerhand ein Stück einer kleinen Gewindestange ab, damit der Pumpenkopf der alten Pumpe mit der neuen verbunden werden konnte. Dabei konnte dieses Kunstwerk nicht einmal richtig an die Wand geschraubt werden, so wurde sie halt mit ein paar Drähten aufgehängt. Dieses Provisorium musste nur bis Saint Jean de Losne halten, dorthin hatte ich Reduktion-Übergangshülsen bestellt, mit denen und einem dünneren Stück Schlauch sollte dann ein Definitivum daraus werden. Zumindest für den Moment waren wir wieder einmal gerettet, die Pumpe tat, was man von einer Pumpe erwartet, sie pumpte. Das Ganze war allerdings nicht 100-prozentig dicht, aber die paar Tropfen, die beim Pumpen je weilen austraten, liessen sich mittels eines kunstvoll platzierten Gefässes problemlos auffangen.
Einmal kamen wir vom Stadtbummel zurück, als wir die «Vagabounde», Gabriels (Hafenmeister von Kembs) Piperboat ein Stück hinter uns am Steinquai liegen sahen. Er war ganz allein auf dem Weg nach Saint Jean de Losne. Da der Liegeplatz am Steinquai nicht so sicher und komfortabel wie unser Platz am Schwimmsteg war, boten wir ihm an, seine Vagabounde an Lilly längsseits zu legen. Kurz darauf lagen zwei Pipers nebeneinander am Schwimmsteg. Vor dem Essen luden wir ihn zu einem Apéro auf die Lilly ein. Den einen Schritt, von seinem Steuerhaus zu unserem machte er in den Hausschlappen. Gabriel zeigte sich beeindruckt von unserem Lieblings-Apéro, einem ordentlichen Negroni. Zum Glück hatte er nicht weit. Etwas später lud er uns in seine Vagabounde zu einem Digestif ein. Er zeigte uns, wie man einen guten Cognac auf die richtige Temperatur bringt, nämlich mittels einer Kerze. Beide Anlässe erlebten wir als sehr gemütlich und angenehm. Geschlafen haben wir wohl auch alle hervorragend.
Frühmorgens sahen wir ihn gerade noch in die Schleuse einlaufen, dann war er weg.
Die Soloris verliess Besançon einen Tag vor uns, wir befanden uns zu der Zeit hoch oben im Tierpark und hatten Gelegenheit aus dieser erhabenen Position dem Schiff zuzuschauen, wie es die Schleuse direkt unterhalb des Stegs, wo Lilly jetzt allein lag, durchlief und hinaus auf den Doubs fuhr.
Am 16. Mai warfen wir die Maschine an und die Leinen los und folgten weiter dem Doubs zu Tal.
Einen speziellen Tunnel hatten wir auf unserem Weg. Die Einfahrt ist etwas tricky, weil man ein 90° Kurve nach Backbord zu fahren hat. Ist man zu schnell, schwingt das Schiff zu weit auf die andere Seite und knallt in die Wand. Zum Glück hatte uns Urs warnend darauf hingewiesen und so liefen wir in das Wendebecken vor dem Tunnel besonders langsam. Die Passanten dort warteten vergebens auf einen grossen Bumms. Der Skipper machte alles richtig. Dieser Tunnel wurde von Künstlern verschönert. Ein Wasserfall sollte an beiden Enden über den Eingang fliessen und man sollte ihn mittels der Fernbedienung für die Schleusen stoppen können, er war aber leider gar nicht in Betrieb. Es wurde wieder ein längerer Tag, bis wir in Ronchaud endlich einen angenehmen Liegeplatz fanden. Unterwegs stoppten wir kurz bei der Soloris für einen kurzen Schwatz. Dort hätte es uns schon auch gepasst, aber die Lilly hätte nicht genug Platz gehabt und so zogen wir eben weiter.
In Ronchaud blieben wir zwei Tage, die wir benutzten, um Wäsche zu waschen und ein paar der gröbsten Kratzer an der Scheuerleiste mit schwarzer Farbe zu kaschieren.
Dann starteten wir zu unserem nächsten Ziel, Dole.
Noch immer erfreuten wir uns unterwegs an der spektakulären Szenerie. Die schroffen Felswände an den Seiten des Doubs, die Wälder, die sich mit riesigen agrartechnisch bearbeiteten Flächen ablösten. Dazwischen immer wieder ein Stück Kanal mit einer Schleuse, um die Wehre und Stromschnellen zu umgehen.
In das Hafenbecken von Dole einlaufend entschieden wir uns Visavis vom Jachthafen am langen Quai anzulegen. Zum Glück fand sich eine freundliche Dame bereit unsere Leinen abzunehmen und durch die vorhandenen Ringe zu führen, bevor sie sie uns aufs Schiff zurückwarf. Ohne sie hätte Christine bei einer Treppe aussteigen müssen, was nicht ganz ungefährlich gewesen wäre. Um die Situation zusätzlich mit Spannung zu garnieren, hatten wir kräftigen Wind von Achtern. Damit die ganze Mühe nicht umsonst war, musste der Skipper in die entstandene Spring eindampfen, das heisst, den Bug mit besagter Leine am Ufer zu halten und mit dem Motor das Heck ebenfalls ans Ufer zu zwingen. Blöderweise war die Uferwand nicht senkrecht, sondern als Schrägwand ausgeführt. Das führte dazu, dass wir unter der Wasserlinie den Rumpf an besagte Steinwand drückten. Es gibt jetzt wohl ein paar Stellen ohne schützende Farbe. Um weitere Schäden zu verhindern, benutzten wir den kleinen Pneu (von einem Gabelstapler) den wir an einer Leine bis zu dem Punkt unter Wasser legen konnten, wo Lilly ohne diese Hilfe am Stein gescheuert hätte. Die «La Gwendoline» eine grosse Luxmotor (ein alter niederländischer Frachtkahn, umgebaut zum Wohnschiff) kannten wir schon vom letzten Jahr, als wir ebenfalls vor ihr in Dijon lagen.
Während dieser Tage bemerkten wir einmal, dass der Theo mit seiner Mamour plötzlich vor der La Gwendoline lag, seine Ankunft hatten wir komplett verpasst. Die Begrüssung war umso herzlicher. Verpasst hatten wir auch die Ankunft des Hotelschiffes «Jeanine», sie hatten wir auch schon gesehen. Was wir nicht verpassten, war das Vorbeilaufen der Soloris. Ihrer Besatzung konnten wir Grüsse zurufen und zuwinken. Telefonisch waren wir mit Urs ohnehin öfter in Kontakt.
Dole hat uns etwas weniger gefallen als Besançon, trotzdem liessen wir es uns nicht nehmen, auf Erkundungstour zu gehen und auch einmal auswärts zu essen.
Ab Dole durchliefen wir den Canal Rhone au Rhin in einem Rutsch bis zu seinem Ende in Saint Symphorien, wo man durch die letzte Schleuse auf die Saône hinaus fährt. Bis in den Hafen von H2O in Saint Jean de Losne und dort fast an denselben Liegeplatz, von wo wir vor einem Jahr gestartet waren, benötigten wir eine knappe Stunde und waren um halb Sechs angelegt und vertäut.
Gleich am nächsten Morgen bekamen wir Besuch von einem Schlosser von H2O, der den Auftrag hatte unseren abgebrochenen Geländerwinkel wieder anzuschweissen. Da ich von Urs wusste, dass Inox Stahl nicht bei Wind geschweisst werden kann, machte ich ihn auf diesen Umstand aufmerksam. Das war ihm wohl bewusst, er schien aber erleichtert, dass ich verstand, dass das ganze Geländer abmontiert und mitgenommen werden musste, um diese Arbeit unter Dach sauber ausführen zu können.
Man glaubt es kaum, aber kurz nach Mittag brachte er es zusammen mit einem Lehrling schon zurück und montierte es wieder. Eine saubere Arbeit, man sieht nicht, dass da mal etwas war. Da dieser Aufwand dem Lieferanten auf Garantie in Rechnung gestellt wird, bestätigte mir Phillippe Gerard, der Werftleiter, dass er auch alle anderen Ecken des Geländers mit einem kräftigen Hammerschlag auf Bruchfestigkeit geprüft hatte.
Besuch erhielten wir auch von einem Sanitär Installateur (Klempner) welcher unseren tropfenden Heizkörper in der Kombüse reparierte, einem Mechaniker der zwei vermurkste (nicht vom Skipper) Schrauben am Alternator ersetzte, damit der Keilriemen wieder gespannt werden konnte und last but not least, von Phillippe himself zu einem Bier, um endlich offiziell zum Du überzugehen. In der Zeit bis zur Weiterfahrt, holten wir noch ein paar Pakete im Clubhouse ab, Sachen, die wir im Internet bestellt hatten und hierhin schicken liessen. Ausserdem kauften wir im Schiffszubehörladen von H2O zwei Reibhölzer aus Gummi, 50 Meter Leine von 8 mm Durchmesser für Fender oder Reibhölzer und fehlende Kanalführer von Edition du Breil in Heftform.
Bevor wir am Pfingstmontag losfuhren, erhielten wir von Phillippe am frühen Morgen noch etwas frische Farbe für kleinere Ausbesserungen und einen zweiten kleinen Pneu, um Lillys Rumpf an Schrägwenden vor weiteren Schäden zu bewahren.
Kaum aus dem Hafen ausgelaufen und auf die Saône eingebogen, legten wir am Ponton der Tankstelle an und bunkerten ein paar Hundert Liter Diesel. Etwa eine dreiviertel Stunde später befanden wir uns auf dem Weg nach Chalon sur Saône wo wir hofften an einem Schwimmsteg, der etwa vierzig Meter vom Ufer an Dalben befestigt war, einen Liegeplatz zu finden. Dieser Schwimmsteg war nicht zu übersehen und machte einen einwandfreien Eindruck und, vor allem, er war komplett leer. Wir kamen die Saône herunter, also zu Tal, aussen am Ponton vorbei und drehten auf, das heisst, wir schlugen einen Bogen, damit Lillys Bug gegen die Strömung zeigte und liefen unter der Passerelle durch, die den Ponton mit dem Ufer verbindet und legten am obersten Platz auf der Innenseite des Schwimmstegs an. Technisch ist der Liegeplatz auf dem neuesten Stand. Gegen das Ufer ist er mit einem elektromagnetischen Schliesssystem gesichert. Wenn man nun vom Steg ans Ufer gelangen will, drückt man einen Knopf und die massive Gittertür kann aufgestossen werden. Will man wieder auf sein Schiff, muss man an einem Automaten mit Touchscreen und Kreditkartenleser seinen Obolus bezahlen. Das Gerät ist mehrsprachig und führt einen durch den Prozess, es ist ganz einfach, man gibt die Länge seines Schiffes ein und wählt die Anzahl Nächte, die man hier liegen will, dann hält man seine Kreditkarte an den Leser und schon ist man sein Geld los. Dafür gibt es eine Quittung aus dem eingebauten Drucker mit einem Code, den man am Tastenfeld der Tür eingibt und schon geht sie auf. Auf die gleiche Weise schaltet man den Stromanschluss oder den Wasserhahn ein. Diese sind mit einer Nummer versehen, jetzt muss man nur noch die Dauer des gewünschten Bezuges eingeben und ist wieder weiteres Geld los, dafür hat man beim Ablegen einen vollen Trinkwassertank. Schade fanden wir nur, dass irgendwelche Schwachköpfe auf die Scheibe des Touchscreens einschlagen mussten, sie war gesprungen, aber funktionierte noch.
Die Stadt wurde uns zum Besuch wärmstens empfohlen und sie enttäuschte uns nicht. Wir blieben für drei Nächte, was uns erlaubte zwei volle Tage auf Streifzug zu gehen, die Speicherchips von Kamera und Handys mit Bildern zu füllen, kleine Besorgungen und grössere Einkäufe zu tätigen sowie einen genussvollen Abend in einem noblen Restaurant zu verbringen.
Am 1. Juni starteten wir zum nächsten Abschnitt unserer Reise. Dazu musste Lilly für ca. zwei Kilometer die Saône zu Berg, also in die Richtung aus der wir kamen, um über Backbord in die Mündung des Canal du Centre einzubiegen, dieser bot uns mit seiner ersten Schleuse gleich etwas Abwechslung und Spannung. Mehr dazu und zu den Kanälen Centre, Lateral a la Loire, Briar und Loing, welche in einer Reihe zu durchfahren sind, bevor wir auf die Seine kommen würden, wird es im nächsten Bericht zu lesen geben.