Bild Nr001Auf unserer nächsten Etappe stoppten wir kurz in einem Hafen vor der Schleuse bei Waltenheim sur Zorn, um Trinkwasser zu bunkern und erreichten kurz nach Eins Brumath. Bild Nr003Da es bis nach Stassbourg von hier nur etwa 16 Kilometer ist, entschieden wir uns, trotz des etwas einsamen und nicht überaus ästhetischen Hafens, für vier Tage zu bleiben. Eigentlich ist dieser Halte Fluvial schön gelegen, rundum von Wald eingerahmt, einzig die Brücke der Strasse D30 am Eingang des Hafens störte ein wenig, ansonsten wird hier Kies und Bauschutt zwischengelagert, was den positiven Eindruck schmälert. Leider gibt es in unmittelbarer Nähe nur ein Restaurant, sowie auf der gegenüber liegenden Seite des Kanals ein kleines Naherholungsgebiet mit Wanderwegen und lustigen Kunstinstallationen. Beides frequentierten wir je zweimal. An einem anderen Tag fuhren wir mit unseren Velos ca. 5 Kilometer dem Kanal entlang, um zu schauen, ob es vor Strassburg noch einen schöneren Liegeplatz gäbe, gab es aber nicht, jedenfalls keinen mit genügend Platz. Dafür fanden wir einen kleinen Carefour Laden, wo wir ein paar frische Lebensmittel kaufen konnten.Bild Nr011
Eines späten Abends, es regnete und war stockdunkel, empfanden wir den LiegeplatzBild Nr010 als noch etwas einsamer als er ohnehin war. Hörten wir doch unvermittelt eine Stimme rufen, bei dem Geprassel, das der Regen veranstaltete, dachten wir zuerst, dass wir uns verhört hätten, doch dann klopfte es an der Steuerhaustüre. Ein wenig erschraken wir schon, doch dann öffnete der Skipper die Türe, mit dem Gedanken, dass böse Menschen nicht rufen und klopfen, die würden einfach hereinkommen. Draussen stand ein Typ mit einem Velo mit Anhänger und fragte, wie er denn von hier aus auf den richtigen Weg nach Strassburg käme, in der Dunkelheit fände er sich nicht zurecht. Wir konnten ihm den Weg durch den Wald auf die Strasse, über die Brücke zum geteerten Treidelpfad auf der anderen Seite des Kanals, weisen. Sich für die Störung entschuldigend und bedankend, zog er ab. Etwas später konnten wir auf der gegenüber liegenden Seite ein Velolicht erkennen, welches sich in Richtung Strassburg bewegte, er hatte den Weg gefunden.Bild Nr013
Etwas über vier Stunden benötigte Lilly für die Strecke bis zum Hafen Bild Nr018von Europe Boat Trading in Strassburg. Hier hatten wir für eine Woche einen Liegeplatz reserviert, damit wir die Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten würden ordentlich würdigen können. Am Ende dieser Woche erwarteten wir unseren Lotsen Roger Schelker an Bord, er würde uns von Strassburg bis Kembs begleiten. Als uns klar wurde, dass wir die ursprünglich geplante Route nicht würden fahren können und zwischen Strassburg und Kembs auf dem Rhein zu Berg navigieren würden müssen, hatten wir, insbesondere der Skipper, schon etwas Muffensausen. Immerhin ist der Rhein der Strom mit dem grössten Fracht- und Personenschiffsverkehr sowie der stärksten Strömung von Europa! Dazu kommt, dass mein Schiffsführerausweis auf Bild Nr032dem Rhein nur für Boote unter 15 Meter Länge Gültigkeit hat, wir uns also strafbar machen würden.
Zuerst aber nutzten wir die Zeit bis zu seiner Ankunft, um die Stadt zu besichtigen. Bild Nr044Mit der Tram erreicht man das Zentrum in wenigen Minuten. Sowohl das kommerzielle Zentrum, als auch die Altstadt besuchten wir mehrfach zum Bummeln, shoppen als auch um Restaurants und Bars zu besuchen und dabei die Kombüse an Bord kaltzulassen. Dennoch haben wir nicht alles gesehen. Wir liefen etwa mit dem Schiff auf dem Weg in den Hafen auf dem Kanal sowohl am Europaparlament als auch am Europarat vorbei, sind aber nicht dort gewesen.
Am dritten Oktober tauchte Roger im Hafen auf und wurde von uns mit Freude willkommen geheissen. Er zeigte sich «Einbedruckt» von unserer Lilly, wie er sich ausdrückte.
Nachdem unser Lotse die Gästekabine bezogen hatte, sassen wir erst mal zusammen, um Details der Reise zu besprechen. Anschliessend legten wir ab, um zur Tankstelle, die kaum 200 Meter entfernt lag, zu fahren und dort Lillys Durst zu löschen. Der Dieseltank soll vor dem Einwintern möglichst voll sein, um Kondenswasser zu vermeiden. Wieder zurück am Liegeplatz wollten auch die leiblichen Bedürfnisse der Besatzung befriedigt werden. Was Christine dann aus der Kombüse auf den Tisch im Steuerhaus zauberte, brachte ihr, einmal mehr, grosses Lob ein. Es wurde ein sehr angenehmer und gemütlicher Abend, bis wir uns für die Nachtruhe in die jeweiligen Kabinen zurückzogen.
Bild Nr046Der Morgen der Abfahrt gestaltete sich etwas anders als erwartet, wir wollten frühzeitig, gleich nach dem ersten Kaffee, losfahren. Nach kaum fünf Minuten, wir bogen über Steuerbord ins Bassin Vauban ab, verdichtete sich der Nebel schlagartig. «So gehts nicht!» Bild Nr047war der lapidare Kommentar unseres Lotsen. Und recht hatte er, man sah kaum 20 Meter weit. Ohne Radar auf dem Rhein? Das wäre ein veritables Selbstmordkommando geworden, also umkehren und am alten Platz wieder anlegen, um eine Weile zu warten. Auch eine Stunde später, keine Besserung, Roger meinte, wir könnten ja auch auf dem Canal du Rhôhne au Rhin bis Rhinau fahren, da sollte die Sicht genügen. Gesagt, getan, liessen wir Lilly aus dem Hafen auslaufen und in den Kanal einbiegen. Es zeigte sich, dass dieser Entscheid in einem weiteren Punkt richtig war. Als sich der Nebel verflüchtigte, wurde es ein wunderschöner Herbsttag, die Landschaft beidseits des Kanals war zauberhaft, die Bild Nr051Bäume schmückten sich mit ihrem Herbstkleid, Enten und Schwäne zeigten sich, die Sonne schien und der Verkehr war marginal, so gut wie inexistent. Gut, es gibt ein paar Schleusen zu bewältigen und logisch, der kleine Liegeplatz, kurz vor dem Ende des Kanals, den wir uns für die Nacht ausgesucht hatten, war von einem Dauerlieger in Beschlag genommen, dafür keine Strömung. Weil der besagte Platz belegt und die Zeit für ein Nachtlager gekommen war, beschlossen wir am Ufer unsere dafür vorgesehenen Spriesse, eine Art übergrosser Zeltheringe, einzuschlagen, um Lilly daran festzumachen. Zusätzlich kamen noch die Erdschrauben, die sehen aus wie Korkenzieher für tausend LiterBild Nr056 Weinflaschen, zum Einsatz. Diese lassen sich, im passenden Erdreich, leicht hinein – und anderntags auch wieder herausdrehen, halten aber unglaublich stark. Auch an diesem idyllischen Ort verbrachten wir einen gemütlichen Abend und eine erholsame Nacht, bevor wir am Morgen zeitig wieder in den Startlöchern standen. Wie es der Teufel will, konnten wir auch heute nicht hindernisfrei durchstarten. Um auf den Rhein auszulaufen, mussten wir lediglich noch zwei Schleusen überwinden. Bereits die Erste liess uns im Stich, wir zogen zwar an dem an einem Galgen über den Kanal hängenden Riemen, die Signallampen bei der Schleuse blieben dennoch dunkel. Roger machte einen Spaziergang zur Schleuse und kam mit der Information zurück, dass der Betrieb erst ab neun Uhr aufgenommen werde. Bild Nr057Hätten wir das gewusst, also, hätten wir uns rechtzeitig schlau gemacht, wären wir etwas länger liegengeblieben. Punkt Neun gingen die Ampeln an, zuerst rot, dann, nachdem wir am Riemen gezogen hatten, grün. Somit war klar, wir liefen in die Schleuse ein.Bild Nr064 Nun betätigten wir die Stange, die normalerweise den Schleusungsvorgang auslöst. Normalerweise. Heute nicht. Die Gegensprechanlage am Schleusenwärterhäuschen verband uns sofort mit einer freundlichen Dame von VNF, welche uns versprach, dass sofort jemand kommen würde, also, so schnell wie möglich, so vierzig Minuten würden wir uns schon gedulden müssen. Gedulden konnten wir, das hatten wir geübt. Es kam sogar noch früher jemand, die waren aber nicht zuständig, andere Baustelle. Es würde bestimmt bald jemand kommen, also geduldeten wir uns weiter. Als wir uns genug geduldet hatten, kam jemand und fixte das Problem in gefühlten zwei Minuten. Wir bedankten uns artig und nahmen den Rest des Kanals unter den Kiel. Die letzte Schleuse vor dem Rhein war bedient und wir mussten uns über Funk anmeldenBild Nr069. Eine Viertelstunde später befanden wir uns auf dem Rhein zu Berg und liefen auf die erste Grossschifffahrtsschleuse, Rhinau, auf dem Rhein zu. Hier waren wir vom Schleusenwärter der letzten Schleuse des Canal du Rhone au Rhin, bereits angemeldet und konnten auch hier zügig einlaufen. Uns wurde die «Kleine» zugewiesen, die ist nur 12,50 Meter breit, 185 Meter lang und hat eine Fallhöhe von 13,30 Metern und wir hatten sie für uns ganz allein. Freude machten uns die Schwimmpoller, von denen genau einer für uns ausreichte, um drei Leinen zu belegen, was sehr bequem war.Bild Nr071
Was für ein starkes Mädchen die Lilly ist, konnte sie uns dann gegen die Strömung den Rhein zu Berg zeigen. Mit ca. 1900 Umdrehungen pro Minute trieben uns ihre 150 Pferdchen mit immerhin etwa sechs Kilometern pro Stunde über Grund den Strom hinauf, und zwar Stunde um Stunde.
Vor und nach den Schleusen, wo die Strömung vernachlässigbar ist, wurden es bis zu 12 Km/h. Wozu gesagt sein soll, das war nicht Vollgas.
Etwas Bemerkenswertes ereignete sich in der nächsten Schleuse «Marckolsheim». Bei der Anmeldung über Funk erhielten wir die Anweisung auf einen Cargo (grosser Frachter) zu warten und diesen vorzulassen und anschliessend mit diesem in der grossen Schleuse aufzusteigen. Soweit so gut, Frachter haben ohnehin VorfahrtBild Nr086. Die Schleusung verlief soweit problemlos, aber bei der Ausfahrt zeigte uns der Steuermann der «Brienzersee», dass er wohl grossen Zeitdruck hatte. Er lief nämlich mit ordentlich Schub aus der Schleusenkammer und erzeugte dabei einen kräftigen Schwell
der uns veranlasste, die Leinen erst loszuwerfen, als die Brienzersee sich etwa drei Schiffslängen vor uns befand (ihre Schiffslängen, nicht unsere). Zum Glück lagen wir an der gegenüberliegenden Wand, direkt hinter ihm hätte das gefährlich werden können.
Der Rest dieser Tagesetappe verlief ereignislos, Mittagessen bei voller Fahrt abwechslungsweise.Bild Nr079 Kaffee kann der Rudergänger auch bei der Arbeit trinken, der Grand Canal d'Alsace, wie der kanalisierte Rhein zwischen Strassburg und Basel auch heisst, verläuft in einem sehr breiten Bett mit weit geschwungenen Kurven und ist ansonsten langweilig und unkompliziert zu navigieren.
Unser heutiges Tagesziel war Breisach, dort habe der ansässige Yachtklub ausserhalb des Hafens zwei Gaststeiger, wo wir problemlos Platz finden würden, soweit die Voraussage unseres Lotsen. Unglücklicherweise wussten die Kapitäne der beiden Boote, welche sich an den beiden Schwimmstegen breit gemacht hatten, nichts davon. Sie hätten gut im Inneren des Hafens Platz gefunden. Leider konnten wir sie nicht darum bitten uns etwas Platz zu machen, es war niemand an Bord. Ein zufällig anwesender Skipper versuchte uns zu helfen, konnte jedoch nichts ausrichten. Er meinte, wir sollten es im «Port de Plaisance Fuchs de l'Lile du Rhin» schräg Visavis versuchen.
Das taten wir dann auch, zumal die Distanz nur etwa 550 Meter betrug. Dort hatten wir Glück, der lange Schwimmsteg war komplett frei und Anlegen einfach, so verzichteten wir auf einen Besuch von Breisach. Vielleicht ein anderes Mal. Ganz unglücklich waren wir nicht, da wir doch recht müde waren und am Morgen wieder früh auslaufen wollten.Bild Nr078
Nach einem weiteren gemütlichen Abend, an den sich eine geruhsame Nacht anschloss, starteten wir den Motor um etwa halb acht am nächsten Morgen. Leinen los und die Lilly achteraus, also rückwärts, durch die Hafeneinfahrt auf den Rhein hinauslaufen zu lassen, waren eins. Nun ca. 200 Meter zu Tal, dann über Backbord um die Landspitze und schon lag die Schleuse Vogelgrun direkt voraus. Wieder über Funk anmelden. Überhaupt war es spannend und lehrreich, dem erfahrenen Kapitän Roger beim Funken zuzuhören. Dieser spezielle Singsang, den die Profis anwenden, gibts wirklich, nicht nur im Film. Der Skipper will das im nächsten Jahr unbedingt auch probieren. Wieder erhielten wir die Anweisung auf einen Cargo zu warten und nach diesem in die kleine Schleusenkammer einzulaufen.Bild Nr094 Als die «Vierwaldstättersee» an uns vorbeilief, winkten wir einander zu, wir freuten uns, dass zurückgewunken wurde. Etwas Platz mussten wir auch noch der Scopus, die die Schleuse zu Tal gefahren war, zum Kreuzen lassen. Als wir dann oben waren, das Tor offen und die Ampeln auf Grün, zeigte uns der freundliche Steuermann der Vierwaldstättersee, wie ein Gentleman das macht. Es gab nämlich, anders als bei der Brienzersee, einen Tag zuvor, rein gar keine Verwirbelung am Heck der Vierwaldstättersee. Auf meine Frage, wie er das denn macht, antwortete Roger, er hat wohl starke und um 360° drehbare Bugstrahlruder, mit denen er sein Schiff gewissermassen aus der Schleuse zieht. Rücksichtsvoller geht wohl nicht mehr. Wir ziehen unseren Hut und bedanken uns dafür beim Skipper und der Crew der Vierwaldstättersee an dieser Stelle herzlich.Bild Nr099
Um etwa 10:50 Uhr passierten wir die Schleuse Fessenheim und fünf vor zwölf kreuzte uns eine Tjalk auf ihrem Weg zu Tal. Wahrscheinlich auf ihrem Weg nach Strassburg, ihrem Winterhafen. Ich dachte noch, was für ein schönes Wohnschiff. Dass es sich dabei um die Constanta handelte, deren Crew, Mende und Maria, die wir am Anfang dieser Reise im Canal des Vosges (siehe Bericht Nr. 10) kennenlernen durften, bemerkten wir erst viel später, beim Betrachten der Fotos. Der ganze Spuk dauerte, von der ersten Sichtung bis sie am Horizont verschwanden, knapp eineinhalb Minuten.Bild Nr102
Nur noch die Schleusen Ottmarsheim und Niffer trennten uns vom Canal Rhone au Rhin. Etwas knifflig war anschliessend die Einfahrt in den Canal de Huningue. Bild Nr107Dieser führt über knapp zwei Kilometer bis zum Port de Plaisance de Kembs und ist ab dort nicht mehr schiffbar. Speziell ist, dass dieser Kanal über eine kleine Gegenströmung verfügt. Um halb fünf Uhr legten wir Lilly an den Steg, wo sie bis zum Frühling, in der Obhut von Hafenkapitän Gabriel Florange liegenbleiben würde.Bild Nr114

Den nächsten Bericht gibt es also erst wieder ab April 2023.