Im September 2014 sind wir, wieder mit dem Zug, ins Burgund nach Digoin gefahren. Von der dortigen Vermietstation übernahmen wir unsere schwimmende Behausung für die nächsten elf Tage. Wir hatten eine Einweg-Miete gewählt, sodass wir nicht zu diesem Standort zurück mussten. Ziel sollte Châtillon en Bazois sein.
Mietboote werden üblicherweise erst am Nachmittag an den neuen Mieter übergeben. Ähnlich wie Hotelzimmer. Wir aber kamen, fahrplanbedingt, schon am Vormittag in Digoin an. So hatten wir etwas Zeit, um den Ort zu besichtigen, ein kleines Mittags- Picknick zu veranstalten, vor einem Café zu sitzen und auf dem Rückweg zu Basis, Vorräte einzukaufen.
Es wurde uns dafür sogar ein Auto, um zum Supermarkt zu fahren, angeboten. Wir haben es aber ohne, nur mit unseren Rucksäcken, geschafft.
Die obligate Einführung in die Bedienung des Bootes lief, ähnlich dem letzten Jahr, einigermassen kurz ab. Der Instruktor fragte, ob ich schon mal ein solches Boot gesteuert hätte. Einmal, erklärte ich ihm. Ah, dann brauche es ihn ja gar nicht, und weg war er, nicht ohne uns vorher die Bedienung der Infrastruktur gezeigt zu haben.
So fuhren wir gleich als erstes über die Kanalbrücke, die über die Loire führt. Auf der anderen Seite kommt unmittelbar die erste Schleuse. Eigentlich wären wir zu spät dran gewesen und hätten die Nacht im Oberwasser der Schleuse verbringen müssen, wenn der Schleusenwärter nicht so nett gewesen wäre und uns noch durchschleuste.
Die Abzweigung zum Stichkanal nach Roanne liessen wir an Backbord liegen und legten schon nach kurzer Fahrt am rechten Ufer für die Nacht an. Dafür mussten zwei ca. 50cm lange Stahlnägel in den Boden geschlagen werden. Ein Fäustel wird einem mitgegeben.
Nach dem Ankertrunk, einem feinen Nachtessen, schliefen wir sehr gut und wurden morgens von herbstlichen Nebelschwaden über dem Wasser begrüsst.
Die Fahrt ging via Decize nach Nevers, wo wir wendeten und in Decize den Canal Lateral a la Loire verliessen und auf dem Weg zum Canal du Nivernais ein Stück auf der Loire selber zurücklegten. Dort, auf der Loire, fanden wir einen Liegeplatz nahe dem Zentrum von Decize. Um hier zu liegen musste das Boot in die Strömung gedreht werden. Da wir auf der Loire zu Tal unterwegs waren, musste ich über Steuerbord wenden und gegen die schwache Strömung backbordseitig rechtsufrig ein 90° Anlegemanöver fahren. Bis mein erster Vollmatrose Christine eine Vorleine vom Bug über den Poller und zurück auf die Klampe gelegt und festgemacht hatte, musste ich das Boot mit dem Motor an Ort und Stelle halten.
Obwohl ich, zu dieser Zeit, noch nicht mit der Ausbildung für den Bootsfüherschein begonnen hatte, machte ich das ganze Manöver intuitiv richtig und ohne Kollision mit der Uferkante.
Ich gebs ja zu, ein bisschen stolz war ich schon.
Im Verlauf des Abends, wir sassen auf der Heck-Veranda, kam ein Mitarbeiter von VNF (Betreiber und Unterhalter der französischen Wasserstrassen-Infrastruktur) bei uns vorbei, um zu fragen, ob wir am nächsten Morgen in den Canal du Nivernais in die Schleuse einfahren wollten. Da wir das tatsächlich im Sinn hatten machten wir aus, dass wir um 09:00 Uhr dort sein werden.
Also fuhren wir gleich nach dem Frühstück los und bogen nach ca. einem Kilometer hart über Steuerbord in den Canal du Nivernais und nach weiteren fünfhundert Metern in besagte Schleuse ein. Wir waren da, aber weit und breit kein Schleusenwärter. Nach ca. einer halben Stunde begann ich eines der unteren Schleusentore zu schliessen, als er endlich ankam.
Er hat mir deutlich zu verstehen gegeben, dass ich das zu lassen hätte. Das war auch nicht so schwer zu verstehen, nachdem ich begriffen hatte, dass er für mehrere Schleusen zuständig war und jeweils, mit seinem Moped, dem Boot auf dem Treidelpfad vorausfuhr und die nächste Schleuse vorbereitete.
Die nächsten Tage befuhren wir also den Canal du Nivernais zu Berg. Er (nicht der Berg, der Kanal) machte seinem Ruf alle Ehre, er soll einer der schönsten Kanäle Frankreichs sein. Seine Bahn ist streckenweise sehr gewunden, die Brücken sind eng und niedrig und die Landschaft ist traumhaft. Auch das Wetter hat mitgespielt.
Am Endpunkt «Châtillon en Bazois» waren wir sogar noch zwei Tage zu früh. Darum fuhren wir ca. einen halben Tag weiter zu Berg um ein letztes Mal «wild» zu übernachten. Entsprechend früh, wie wir einen schönen Platz gefunden hatten, machten wir eine kleine Velo-Tour. Mit diesen einfachen Drahteseln die steilen Hügel hinauf, und das in ordentlicher Wärme, machte Durst. Unterwegs fanden wir ein klitzekleines Bistrot. Wir setzten uns davor in die Sonne, woraufhin der nette englische Patron uns sogar einen Sonnenschirm brachte, und bestellten einen Apéro. Beinahe entsetzt fragte er uns, ob wir wirklich so früh, es war ca. 16:00 Uhr, schon Alkohol zu uns nehmen wollten. Etwas erstaunt schauten wir ihn an, schliesslich war hier doch das Land des Pastis und des Weines. Er fragte noch, wo wir denn herkämen. Als wir antworteten «from Switzerland» meinte er erleichtert «ja dann ist ja klar….».? Wir genossen unseren Drink und plauderten noch mit ihm, bevor wir wieder auf’s Boot zurückfuhren. Diesmal bergab. Bei einem weiteren, von Smutje Christine zubereiteten, sehr feinen Znacht, liessen wir den Abend ausklingen.
Am nächsten Morgen ging es, nach der Packerei und der Rückgabe des Bootes, mit Bus und Bahn, und einem grossen Rucksack voller schöner Erinnerungen, wieder nach Hause.